Der digitale Rundgang durch das Wasserschloss Angern führt Besucher durch die geschichtsträchtigen Räume und Gänge eines altmärkischen Adelssitzes und bietet dabei faszinierende Einblicke in Architektur, Alltagskultur und Repräsentation – von der barocken Gartenachse über die historischen Wohnbereiche bis hin zum historischen Dachstuhl.
Infrastruktur, Ordnung und Hierarchie in einem barocken Herrenhaus: Das Souterrain des Schlosses Angern war um 1750 nicht bloß ein dienender Funktionsbereich unterhalb der bel étage, sondern ein komplex organisierter und hierarchisch strukturierter Mikrokosmos. Die im Inventar von 1752 dokumentierten Räume und Objekte erlauben eine detaillierte Rekonstruktion der wirtschaftlichen Infrastruktur und der Sozialverhältnisse innerhalb dieses barocken Gutshauses[1].
Von der Vorfahrt aus betritt man durch die Eingangstür den großzügigen Empfang des Schlosses. Besonders beeindruckend sind das barocke Treppengeländer mit stark profilierten Rechteckbalustern und die teilweise erhaltene historische Wandvertäfelung, die den Charakter des Schlosses unterstreichen.
Unser Rundgang beginnt mit der beeindruckenden Ansicht des Schlosses von der Nordseite. Diese Perspektive bietet einen Blick auf die repräsentative Vorfahrt und die markanten Eingangstüren des Hauptgebäudes sowie der beiden Seitenflügel. Die Nordseite vermittelt einen ersten Eindruck von der eleganten Architektur und Symmetrie des Schlosses.
Das Vestibül des Herrenhauses Angern bildet als architektonisches Bindeglied zwischen Außenwelt und Innenraum eine zentrale Schwelle innerhalb der barocken Raumdramaturgie. Im 18. und 19. Jahrhundert diente es nicht allein dem funktionalen Empfang von Gästen, sondern übernahm eine zentrale Rolle in der Inszenierung von sozialer Ordnung, Standesbewusstsein und Repräsentation. Seine Platzierung im Baukörper, die symmetrische Gestaltung und die gezielt eingesetzten Ausstattungsobjekte erlauben Rückschlüsse auf die bewusste Inszenierung dieses Übergangsraums im Kontext adliger Wohn- und Herrschaftskultur. Als Schwellenraum war das Vestibül zugleich Einladung, Einordnung und erster Eindruck – ein Ort, an dem barocke Ordnungsideen sichtbar und erfahrbar wurden.
Der sogenannte Gartensaal im Erdgeschoss des Schlosses Angern nimmt innerhalb der Raumstruktur des Hauses eine besondere Stellung ein. Er öffnete sich über große Flügeltüren – direkt zum barocken Garten-Parterre und bildete die räumliche und visuelle Verbindung zwischen Architektur und Garten. Seine Nutzung als Repräsentationsraum blieb sowohl im 18. als auch im 19. Jahrhundert erhalten, wobei sich die Akzente seiner Ausstattung und bildlichen Inszenierung verschoben.
Vom Gartensaal gelangt man in den Damensalon, dessen Nutzung sich im Laufe der Zeit deutlich wandelte. Um 1750 diente der Raum vermutlich als Appartement, das Repräsentation mit Rückzug verband. In der barocken Phase spiegelte der Raum die Vorliebe für textile Pracht, ornamentale Vielfalt und symbolisch aufgeladene Bildwerke wider – ein Ort individueller Lebensführung, oft mit direktem Bezug zur Schlaf- und Garderobenfunktion. Seine Ausstattung orientierte sich an französischen Vorbildern, etwa in der Verwendung von Damastbespannungen, Falballa-Gardinen und Nussholzmöbeln, und dokumentiert den internationalen Austausch adeliger Wohnkultur um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Um 1845 wandelte sich die Funktion: Der Damensalon wurde nun zum gesellschaftlichen Mittelpunkt für die Hausherrin und ihre Gäste – ein bürgerlich geprägter Repräsentationsraum mit Tee-Etagère, floralen Sitzgruppen, Rouleaux und hellen Wandfarben. Die ehemals intime Funktion wurde zunehmend durch eine salonartige Öffentlichkeit ersetzt, die gesellige Konversation und stilvolle Begegnung ins Zentrum rückte – Ausdruck des sich wandelnden Rollenverständnisses adliger Frauen im 19. Jahrhundert.
Der sogenannte „Raum rechter Hand des Saals“ („wo Seine Exzellenz Christoph Daniel von der Schulenburgs logieren“) bildete um 1750 gemeinsam mit dem angrenzenden Kabinett und der Polterkammer das persönliche Appartement des Generals und vereinte auf bemerkenswert verdichtetem Raum Wohnen, Arbeiten, Repräsentieren und Sammeln. Dieses dreigliedrige Ensemble erfüllte sowohl intime als auch öffentliche Funktionen und spiegelte damit das barocke Ideal eines durch Stil, Funktion und Status klar gegliederten Lebensraums. Die Inventaraufnahme von 1752 ermöglicht eine detailgenaue Rekonstruktion und macht den Raum zu einem ausgesprochen seltenen und dichten Zeugnis adeliger Wohnkultur im mitteldeutschen Raum um die Mitte des 18. Jahrhunderts – geprägt von französischer Schlafkultur, höfischer Loyalität, militärischer Identität und aufklärerischer Bildung.