Ein Ort für Sammlung, Erinnerung und gesellige Intimität: Das Kabinett im Herrenhaus Angern dokumentiert die kulturelle Bedeutung kleinteiliger, privat genutzter Räume innerhalb der adligen Lebenswelt. Es steht exemplarisch für die emotionale Aufladung von Raum durch Porträtkunst, das Sammeln von Objekten und das Bewahren genealogischer Identität. Als Ort der stillen Repräsentation und geselligen Gesprächskultur erfüllt es eine zentrale Funktion in der ästhetischen und sozialen Struktur des Hauses. In seiner Ausstattung und Anordnung lässt sich das Kabinett als intimer Rückzugsraum interpretieren, der gleichermaßen Sammlungs-, Erinnerungs- und Gesprächsort war. Es reflektiert damit typische Funktionen adliger Kabinette im späten 19. bis frühen 20. Jahrhundert.
Der Raum im 19. Jahrhundert
Die Wandgestaltung ist durch eine eng gemusterte Tapete mit floralen Motiven charakterisiert, die eine dichte, dekorative Raumhülle erzeugt. Historisch gesehen spiegelte die Tapete dieses Raums um 1845 den Übergang vom opulenten Rokoko hin zu einem schlichteren, aber dennoch eleganten bürgerlichen Geschmack wider. Typisch waren dabei gedämpfte, florale oder geometrische Muster, die oft als gedruckte oder handbemalte Wanddekoration erschienen. Von der bedruckten Papiertapete haben sich noch Reste unter den Fußleisten gefunden. Diese Tapeten sollten einerseits die traditionelle Handwerkskunst betonen und andererseits den aufkommenden Ideal der Gemütlichkeit und Funktionalität unterstützen, was den Raum behaglich und zugleich repräsentativ wirken ließ.
Die Möblierung besteht aus einem zentralen Rundtisch mit ornamentierter Mittelsäule im Stil des Neobarock oder Historismus, umgeben von einer heterogenen Sitzgruppe aus Polsterstühlen unterschiedlichen Stils sowie einer eleganten, durchbrochenen Bank mit X-förmig verschränkter Lehne. Diese Mischung aus Möbeln verschiedener Epochen deutet auf ein gewachsenes, historisierendes Einrichtungsverständnis, wie es für das ausgehende 19. Jahrhundert typisch ist. Die textile Basis bildet ein hochfloriger, gemusterter Teppich mit orientalischen Ornamenten, der dem Raum zusätzliche Wärme und Zonierung verleiht.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Wandvitrine auf der linken Seite mit dekorativem Porzellan, sowie das kleine Schreibmöbel auf der rechten Seite, vermutlich ein Lacksekretär oder Zierschreibtisch mit floralem Dekor und figürlichen Intarsien. Beide Objekte verweisen auf das Kabinett als Ort der Sammlung und kontemplativen Beschäftigung. Die darüber hängenden Porträts betonen die enge Verbindung von Objektkultur und Erinnerung.
Im Kontrast dazu stehen die Möbelstücke, die auf das Jahr 1745 datiert werden können und typische Merkmale des Rokoko aufweisen. Der Sekretär von Christoph Daniel mit dem Schulenburg'schen Wappen aus Elfenbein-Intarsien wurde bereits im Inventarverzeichnis von 1745 erwähnt. Er ist heute leider ebenso wie alle anderen dargestellten Möbel verschollen.
Die Deckenbeleuchtung wird durch eine auffällig gearbeitete Hängelampe mit Glas- oder Porzellanschirm gewährleistet, ergänzt durch einen mehrarmigen Leuchter mit hängenden Elementen – vermutlich Kristall- oder Glasprismen. Diese Beleuchtung unterstreicht den halböffentlichen Charakter des Raumes zwischen familiärer Intimität und höfischer Zier.
Das Kabinett Aufnahme um 1920
KI generierte Ansicht des Kabinetts um 1920
Der Raum im 18. Jahrhundert
Mitte des 18. Jahrhunderts war das Kabinett zusammen dem (Schlaf-)Zimmer von Christoph Daniel von der Schulenburg und der sogenannten "Polterkammer" das private Refugium von Christoph Daniel. Der Dielenfußboden aus Kiefernholz mit einer Einfassung aus Eiche-Dielung ist noch aus der Rokoko Bauzeit erhalten. Auch der Kamin mit seiner Marmoreinfassung ist noch vorhanden. Auch einige der Möbel blieben bis 1945 vorhanden und ist auf dem Foto von 1920 dokumentiert. Sie gelten heute als verschollen. Das General-Inventarium von 1752 dokumentiert die Ausstattung des Kabinetts im Detail:
Wand- und Fensterdekoration:
- 15 Bahnen grün damastene Tapeten.
- 4 grün-weiß gestreifte Gardinen mit Falballas.
- 2 Portieren aus grün-weißem Stoff.
Möbel:
- 2 Bureau aus Granatille-Holz, mit Elfenbein eingelegt, eines davon mit dem Freiherrlich-Schulenburgischen Wappen.
- 2 schwarz gebeizte Eckschränke, mit Porzellan dekoriert.
- 1 Kröpelstuhl (kleiner Fauteuil) mit grünem damastenen Kissen.
- 1 Cassette aus Granatille mit Elfenbein- und Messingverzierungen.
Kunst und Dekoration:
- 2 Damenbildnisse (gemalt).
- 1 Stickerei der heiligen Theresa und 1 Ordensbildnis.
- 1 Gemälde eines Totenkopfs.
- 2 Kupferstiche von Matthias Johann von der Schulenburg als General-Feldmarschall von Venedig.
Kaminzubehör:
- Neben dem Kamin 1 Feuerschirm und 1 Blasbalg, mit Silber verziert.
- Brandruten, Schippen und Zangen mit Messingbeschlägen.
- Ein zusätzlicher Schirm für den Kamin.
Das Kabinett heute
Die Wände des Kabinetts sind heute mit Stichen und Porträts der preußischen Könige geschmückt.
Das Kabinett im Schloss Angern heute