Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg von Friedrich August Fiedler im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis ins Jahr 1341 zurück, als an dieser Stelle eine Wasserburg errichtet wurde.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion, administrative Nutzung, Repräsentation, Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung. Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung.

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Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750

 Als dynastisch verankerter Gutssitz im Brandenburg-Preußischen Kontext verkörpert Angern den Typus des barocken Landadelsresidenzhauses, das zwischen weltläufiger Orientierung und lokaler Herrschaftsausübung vermittelt. Die Nutzung um 1750 erscheint damit exemplarisch für eine Adelskultur im Übergang – repräsentativ, funktional gegliedert, symbolisch aufgeladen und geprägt von der Spannung zwischen Tradition und Aufklärung.

Das Haus gliedert sich funktional in Wohnräume, Verwaltungsbereiche, Repräsentationszonen, Sammlungsräume und symbolisch-dynastische Orte. Wie in vergleichbaren Anlagen strukturieren sich die Raumfolgen in axialer Ordnung und unterliegen einem durchdachten Nutzungsschema.

Vestibül

Nach Betreten des Hauses führt der Weg in den Schlossflur (im Inventarverzeichnis als solcher bezeichnet, funktional dem Vestibül entsprechend) als Schnittstelle zwischen öffentlicher Repräsentation und privater Wohnwelt dient. Das Vestibül bildete den architektonischen Auftakt des Schlosses und erfüllte eine zentrale Vermittlungsfunktion zwischen öffentlichem Empfang und privatem Rückzug. Es war nicht nur Durchgangszone, sondern auch Ort der symbolischen Selbstdarstellung: Ein über dem Durchgang angebrachtes Tableau mit einem Tambour oder Mohren des Schulenburgschen Regiments verwies auf die internationale Militärlaufbahn des Hausherrn und seine Verbindungen zum sardinischen Hof. Der Raum war streng symmetrisch gegliedert, mit schlichten Wandfeldern, einem repräsentativen Leuchter und gezielten Sichtachsen, die bereits hier die barocke Ordnungsidee erfahrbar machten – das Vestibül als Schwelle zwischen Repräsentation und Intimität, zwischen Welt und Haus.

Die bel étage

Über eine mit geschnitzten Recheckbalustern verzierte Treppe gelang man vom Vestibül in die bel étage. Sie bildete den obersten Rang innerhalb der barocken Raumhierarchie des Schlosses Angern. Im Zentrum stand der Obere Saal mit einer eindrucksvollen Deckenhöhe von 4,50 Metern, der als Salon d’apparat zugleich Gesellschafts-, Musik- und Sammlungsraum war. Mit seiner dichten Ausstattung aus Supraporten, chinoisen Szenen, Landschaften, Schlachten- und Küchenstücken sowie venezianischen Veduten entsprach er dem Typus der „Galleria“ – einer semi-öffentlichen Bildwelt zur Inszenierung von Bildung, Weltgewandtheit und Repräsentationskultur. Im Unterschied zum Gartensaal, der im Erdgeschoss lag und als lichtdurchfluteter Raum des Austauschs, der Gartenöffnung und der persönlichen Annäherung diente, war der Obere Saal auf Distanz, Übersicht und formalisierte Repräsentation ausgelegt. Auch zum Appartement Christoph Daniels, das eine Mischung aus Wohnkultur, kontrollierter Intimität und symbolischer Selbstdarstellung ermöglichte, setzte sich der Obere Saal deutlich ab: nicht als privater Rückzugsort, sondern als architektonisch überhöhter Ausdruck standesgemäßer Öffentlichkeit und adeliger Selbstvergewisserung. Über einen schmalen Balkon bot sich ein eindrucksvoller Ausblick entlang der zentralen Gartenachse vom Gartensaal über das barocke Gartenparterre hinweg bis in die offene Landschaft – ein sinnfälliger Ausdruck barocker Ordnung, Perspektive und Naturbeherrschung.

Gartensaal

Über das Vestibül erreicht man außerdem den Gartensaal. Im Gegensatz zur klassischen bel étage im Erdgeschoss gelegen, ermöglichte er einen unmittelbaren Übergang zum barocken Gartenparterre, dessen Gestaltung – mit Mittelachse, symmetrischen Rasenflächen, Kieswegen und Formgehölzen – dem Ideal der barocken Naturordnung folgte. Durch große Fenster und Türen öffnete sich der Raum visuell und funktional zur Außenwelt und verband so Architektur, Landschaft und Repräsentation auf eindrucksvolle Weise. Der Gartensaal war nicht nur ein Ort höfischer Begegnung, sondern diente auch der Inszenierung von Natur als beherrschter Raum – das Schloss als Bühne, der Garten als erweiterter Aktionsraum adeliger Selbstvergewisserung.

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Der Gartensaal im Jahr 1750 - KI generierte Ansicht

Um 1750 war der Gartensaal im Erdgeschoss des Schlosses Angern ein zentraler Repräsentationsraum mit direkter Verbindung zum zum barocken Gartenparterre. Seine Lage an der Südseite des Hauses, gegenüber der nördlichen Ehrenhofzufahrt, entsprach der barocken Raumlogik von axialer Durchdringung und landschaftlicher Öffnung. Durch große Fenster und Türen öffnete sich der Raum visuell und funktional zur Außenwelt und verband so Architektur, Landschaft und Repräsentation auf eindrucksvolle Weise. Der Gartensaal war nicht nur ein Ort höfischer Begegnung, sondern diente auch der Inszenierung von Natur als beherrschter Raum – das Schloss als Bühne, der Garten als erweiterter Aktionsraum adeliger Selbstvergewisserung. Zugleich hatte der Gartensaal eine zentrale Verteilerfunktion innerhalb der Raumstruktur des Hauses: Über eine Tür an der rechten Seite war das Appartement Christoph Daniels direkt zugänglich – ein Rückzugsbereich mit Wohn-, Arbeits- und Sammlungsräumen –, während auf der linken Seite ein weitere Appartements erreicht werden konnten. Der Gartensaal bildete damit nicht nur das gesellschaftliche Zentrum des Erdgeschosses, sondern auch eine architektonische Schaltstelle zwischen öffentlicher Repräsentation, privater Intimität und hausinternen Funktionsbereichen. Seine Ausstattung – darunter Rohrstühle Berliner Arbeit, Nussholztische, vergoldete Stuckelemente und textile Fensterbehänge – verband repräsentative Gestaltung mit alltagspraktischer Nutzung. Als Schwellenraum zwischen Haus und Garten, Öffentlichkeit und Privatheit war der Gartensaal ein Schlüsselraum der barocken Inszenierung von Ordnung, Status und Weltbezug - vergleichbar mit ähnlichen Raumlösungen in Schloss Oranienbaum oder Schloss Dieskau

Christoph Daniel von der Schulenburg um 1750

Appartements

Angrenzend an die Repräsentationsräume im Erdgeschoss und in der ersten Etage befinden sich Appartments. Ein Gutshaus oder Herrenhaus war im 18. Jahrhundert nicht bloß der Wohnsitz eines adligen Ehepaares, sondern diente als Lebensmittelpunkt eines komplexen Haushaltsgefüges, das mehrere Generationen, unverheiratete Verwandte, Hauslehrer, Gäste, Höflinge und Bedienstete umfasste. Jeder dieser Personenkreise beanspruchte eigene, abgeschlossene Wohnbereiche – sogenannte Appartements –, die teils dauerhaft vorgehalten wurden, insbesondere für Gäste und Vertraute. Adlige Familien wie die von der Schulenburg verstanden ihren Landsitz als einen „Landhof“ im kulturellen Gefolge der großen Höfe. Das ausgeprägte Appartement-System war Ausdruck dieses Selbstverständnisses, Teil einer bewusst gepflegten Repräsentationskultur und Ausdruck der Nähe zum höfischen Lebensmodell, das Status, Ordnung und Hierarchie räumlich sichtbar machte.

Direkt vom Gartensaal gelangte man rechts in das grün tapezierte appartement de parade des Hausherrn Christoph Daniel sowie links in ein weiteres gelb tapeziertes appartement de commodité mit Kabinett. Die Appartments waren in Angern nicht klar getrennt, sondern funktional verschränkt: Schlafzimmer mit Baldachinbetten à la Duchesse oder à Pavillon, Damasttapeten, Nussholzmobiliar und Wandbespannungen bestimmten den Wohnkomfort. Kleinere Einheiten – etwa ein appartement réduit mit Bedienstetenkammer – ergänzten das Raumgefüge und dienten nachgeordneten Familienmitgliedern, Offizieren oder Gästen, ohne dabei auf eine repräsentative Ausstattung verzichten zu müssen. Vergleichbare Raumtypen und Ausstattungen finden sich in Landhäusern der Familien von Alvensleben, Bismarck und der Marwitz. 

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KI Rekonstruktion des Appartements links vom oberen Saal um 1745

Das Appartement von Christoph Daniel

Das Appartement Christoph Daniel von der Schulenburgs im Schloss Angern um 1750 war ein architektonisch klar gegliedertes, funktional vielschichtiges und symbolisch aufgeladenes Raumensemble, das exemplarisch die barocke Lebenswelt eines aufgeklärten Offiziersadligen verkörpert. Die Ausstattung des Appartements – mit grünen Damasttapeten, Nußbaum- und Intarsienmöbeln, Kaminanlagen, Porzellan, Textilien und Bildprogrammen – verbindet repräsentativen Anspruch mit persönlichem Stil, kultivierter Bildung und standesgemäßer Selbstinszenierung. Es umfasst mehrere aufeinander bezogene Räume – darunter Chambre, Kabinett, Polterkammer, ein Raum mit der Historie Coriolans sowie das Große Zimmer im Flügel – und entspricht in Aufbau und Funktion einem appartement de parade im ländlich-adligen Kontext. Das Appartement vereinte Repräsentation, Rückzug, Sammlung und Alltag in einem funktional gegliederten System höfischer Raumkultur.

Eine Besonderheit des Appartements war der zweite Zugang: Vom Gartensaal aus – dem zentralen Repräsentationsraum des Hauses – konnte Christoph Daniel direkt in sein Chambre gelangen. Diese doppelte Erschließung verlieh dem Appartement eine außergewöhnliche soziale und funktionale Flexibilität: Es war sowohl Teil der öffentlichen Raumfolge (Enfilade) als auch Rückzugsort für Vertraute und Gäste. Die hierarchisch gegliederte Raumstruktur, wie sie der Grundriss eindrucksvoll zeigt, ist ein herausragendes Beispiel für barocke Wohnkultur im mitteldeutschen Adel des 18. Jahrhunderts.

Die Chambre, der sogenannte „Raum rechter Hand des Saals“, war ausgestattet mit grünem Damast, einem Bett à la Duchesse, einem Feldbett mit Taftfutter, sardischen Fürstenporträts, einem Porzellanwaschbecken, einer Pendule, mehreren Nussbaumtischen und Fauteuils bezeugt den hohen Anspruch an Komfort, Stil und symbolische Selbstdarstellung. Der direkte Zugang vom Gartensaal zum Chambre verleiht dem Raumensemble eine besondere architektonische und sozialräumliche Bedeutung. Als Teil der barocken Enfilade ermöglichte dieser Zugang eine fließende Verbindung zwischen öffentlicher Repräsentation und privatem Rückzug, ohne formelle Besuchszonen wie die Antichambre durchqueren zu müssen.

Das an die Chambre angrenzende Kabinett war um 1745 ein Rückzugsraum ebenfalls mit grünen Damasttapeten, kunstvoll intarsierten Möbeln aus Granatille-Holz, barocker Bild- und Stickereikunst sowie einem marmorgerahmten Kamin – ein Raum kontemplativer Selbstvergewisserung, Sammlung und kultureller Repräsentation.

Das angrenzende kleine 2. Kabinett, die sogenannte Polterkammer, stellte mit ihrer Waffensammlung und der französisch dominierten Bibliothek eine Art Wunderkammer im Miniaturformat dar. In ihr fanden sich zugleich Reit- und Garderobeobjekte wie ein grünsamtener Sattel mit Silberbeschlag oder ein schwarzsamtener Reisehut, wodurch sie als Raum barocker Statuspflege und Identitätsbildung fungierte. Dieser Raum bildete den rückwärtigen Abschluss des Appartements von Christoph Daniel und war mit grün und schwarz marmorierter Wachsleinwand tapeziert – ein in der Mitte des 18. Jahrhunderts beliebtes, widerstandsfähiges Material, das sowohl dekorativ als auch pflegeleicht war. 

Der zweite Zugang zum Chambre war die vorgelagerte Antichambre. Diese war direkt vom Vestibül zugänglich und bildete die erste Schwelle zur halböffentlichen Sphäre. Im Unterschied zu den Räumen des eigentlichen Appartements war dieser Raum mit gelb-roten Brocadelltapeten ausgestattet – ein farbintensiver und repräsentativer Stoff, der den Übergangscharakter des Raumes visuell unterstrich. Während die grünen Damast- oder Mohrtapeten des Appartements kultivierte Ruhe und private Konzentration signalisierten, wirkten die gelb-roten Brocadellbahnen lebendig, offen und erwartungsvoll – ideal für einen Raum des Empfangs und der Ankündigung. Zur Ausstattung des Antichambre gehörten eine Pendule mit grün-weiß gefasstem Gehäuse, eine vollständig ausgestatteten Schlafbank sowie Supraporten mit Bacchanal-Motiven. Die Schlafbank verweist auf ihre Doppelfunktion als Empfangs- und Kontrollraum. Als Bestandteil eines ländlich adaptierten appartement de parade stellte sie den regulären Zugang zum Chambre, als den privaten Bereich des Hausherrn dar, flankiert von dem zweiten, privilegierten Zugang direkt vom Gartensaal. Diese doppelte Erschließung verleiht dem Appartement eine außergewöhnliche Raumlogik zwischen Repräsentation und Vertraulichkeit.

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KI-Rekonstruktion des Chambre von Christoph Daniel

Der Raum mit der Historie Coriolans bildete das funktionale und symbolische Zentrum des Appartements Christoph Daniel von der Schulenburgs. Mit drei Zugängen – von der Antichambre, der Polterkammer und dem angrenzenden Flügelzimmer – war er architektonisch als verbindendes Element zwischen Repräsentation, Rückzug und Dienststruktur angelegt. Seine hochwertige Ausstattung mit grünem Brocadell, einem Bett à la Duchesse, Nussbaum-Möbeln, einem Kamin, Supraporten mit Bacchanalien und einem Porzellanwaschbecken verweist auf einen Raum gehobener Wohnkultur zwischen Intimität und stiller Repräsentation. Wer den Raum nutzte, bleibt offen – wahrscheinlich diente er entweder einem besonders vertrauten Bediensteten, einem ranghohen Gast oder als alternativer Schlafraum des Hausherrn. In seiner Vielschichtigkeit repräsentiert der Raum das barocke Ideal einer geordneten, sozial differenzierten Lebenswelt, in der Wohnen, Status und Nähe funktional verschränkt waren.

In seiner Gesamtheit steht dieses mehrgliedrige Raumensemble exemplarisch für die barocke Lebenswelt eines aufgeklärten Offiziersadligen im Alten Reich – zwischen funktionaler Privatheit, kultureller Bildung und dynastischer Loyalität. Die Verbindung von symbolischer Repräsentation, gelebtem Komfort und reflektierter Sammlungs- und Bildkultur macht das Appartement Christoph Daniels zu einem Schlüsselbeispiel mitteldeutscher Adelskultur im 18. Jahrhundert.

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Grundriss des Erdgeschosses um 1750

Grün: Appartement de parade von Christoph Daniel; Gelb: Appartement de commodité; Rosa: Patrimonialgericht

Speisezimmer

Das Speisezimmer (Nr. 11) im Schloss Angern war um 1750 ein klar strukturierter und funktional durchdachter Raum, der exemplarisch für die barocke Wohn- und Repräsentationskultur des mitteldeutschen Landadels steht. Die Ausstattung mit blau-weiß bemalter Leinentapete, Supraporten, farblich abgestimmten Stühlen, mehreren Tischen sowie einem Buffet mit differenziertem Glasgeschirr belegt die Verbindung von Ästhetik und Alltagspraktik. Elemente wie ein kupferner Schwenkkessel, eine Glasbürste und eine wollene Fußdecke unter dem Tisch zeugen von der praktischen Nutzung des Raumes im Rahmen höfischer Tischsitten. Der Raum war ganzheitlich komponiert – farblich, funktional und sozial differenziert – und spiegelte den Geist barocker Ordnung, Maßhaltung und repräsentativer Zurückhaltung wider.

Garderobenzimmer

Das Garderobenzimmer in der ersten Etage diente Christoph Daniel von der Schulenburg nicht nur als Aufbewahrungsort seiner Garderobe, von Haushaltstextilien und Reiseutensilien, sondern bildete das funktionale und materielle Umfeld jener Kleidungskultur, die in der barocken Adelswelt eine zentrale Rolle für Status, Ordnung und Mobilität spielte.

Patrimonialgericht

Der Ostflügel des Schlosses Angern war um 1750 ein funktional gegliedertes Zentrum der herrschaftlichen Verwaltung und Justiz. Die Räume folgten der klassischen barocken Raumordnung, bei der das dominium (administrative Macht) räumlich unter dem domicilium (dem Wohnsitz) angesiedelt war. Der Ostflügel umfasste die Gerichtsstube als Ort der Ausübung der patrimonialen Niedergerichtsbarkeit, ausgestattet mit schlichter, aber symbolisch bedeutsamer Möblierung, darunter ein Kuppelbett und englische Rohrstühle. Direkt angrenzend befand sich ein Verwaltungszimmer mit zwei Betten und Tischen, das von Schreibern oder dem Gerichtshalter genutzt wurde, sowie ein Kabinett mit Repositorium und Feldbett, das vermutlich als Kanzlei diente. Im Anschluss daran lag das Archiv, das der langfristigen Sicherung von Urkunden, Verträgen und der Dorfordnung diente. Die enge räumliche Verknüpfung dieser Räume zeigt eine mikroarchitektonische Einheit von Rechtsprechung, Verwaltung und Dokumentation – typisch für die rationalisierte Herrschaftsausübung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus.

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KI Rekonstruktion der Gerichtsstube im Ostflügel

Küche und Wirtschaftsräume im Souterrain

Im Souterrain des Schlosses befanden sich die Küche, Speisekammern und hauswirtschaftlichen Nebenräume, die das Rückgrat der täglichen Versorgung bildeten. Die Ausstattung umfasste Zinn- und Kupfergeschirr, Feuerkessel, Reiben, Kaffeemühlen und Mörser. Auch Lagerflächen für Vorräte, Holztruhen und Flaschenbestände sind belegt. Der Souterrainbereich spiegelt eine hochgradig funktional organisierte Haushaltsführung wider, in der der Gutsbetrieb und das Dienstpersonal räumlich unterhalb der repräsentativen und privaten Wohnräume verortet waren. Diese klare architektonische Hierarchie entsprach der Logik barocker Hausordnungen und verdeutlicht die Rolle des Schlosses als ökonomisches Zentrum einer Adelsdomäne.

Die angeschlossene Kammer des Kochs, die große Gesindestube mit Tisch und Perückenständern sowie individuell eingerichtete Kammern für Verwalter, Aufseher und Diener zeugen von einer klar gegliederten, hierarchisch organisierten Hausökonomie. Unterhalb der Repräsentationsebene gelegen, bildete das Souterrain einen funktional differenzierten Mikrokosmos, der zugleich alltägliche Arbeit, Versorgung und das soziale Leben des Dienstpersonals strukturierte.

Sakrale Verankerung

Außerhalb des Hauses, aber untrennbar mit ihm verbunden, steht die barocke Stiftung der Dorfkirche. Christoph Daniel von der Schulenburg ließ diese erneuern und sich in einer Kniestatue in der Kirche darstellen. Diese Stiftung verknüpfte Herrschaft und Memoria und ordnete das Herrenhaus in eine sakrale Erinnerungslandschaft ein. In Verbindung mit dem Keller des erhaltenen Burgturms ergibt sich ein klarer Bezug zur dynastischen Kontinuität.

Quellen

  • vgl. auch: Dorothee Brückner: Wohnkultur im Zeitalter des Barock, München 1999.
  • vgl. auch Hans Ottomeyer (Hrsg.): Barocke Wohnkultur in Europa, München 2001;
  • Jean-Pierre Babelon: Le château et la vie de cour en France au XVIIe siècle, Paris 1986.
  • Inventarverzeichnis Schloss Angern, Rep. H 76, 1739/1752. Gutsarchiv Angern.
  • Dehio-Handbuch Sachsen-Anhalt I: Regierungsbezirk Magdeburg. München: Deutscher Kunstverlag, 1999.
  • Dethlefs, Norbert: Die Ausstattung ländlicher Adelshäuser in Norddeutschland im 18. Jahrhundert. Hamburg: Kovač, 2004.
  • Krüger, Kerstin: Adlige Wohnkultur in der frühen Neuzeit – Räume, Rituale und Repräsentation. Göttingen: V&R unipress, 2010.
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Die Burg Angern als Herrschafts- und Wehranlage stellt in ihrer historischen Entwicklung ein typisches Beispiel einer spätmittelalterlichen Wasserburg des niederen Adels im mitteldeutschen Raum dar. Ihre Entstehung unter Erzbischof Otto von Magdeburg im 14. Jahrhundert war eng mit den Machtinteressen des Erzstifts Magdeburg verbunden. Die Wahl des Standorts – auf einer inselartigen Erhebung inmitten der Elbniederung – folgte sowohl militärisch-strategischen als auch wirtschaftlich-topographischen Überlegungen. In unmittelbarer Nähe wichtiger Verkehrswege und Elbübergänge gelegen, diente die Burg der Kontrolle von Handelsrouten, der Sicherung regionaler Besitzverhältnisse und der symbolischen Machtdemonstration.
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.