Aufbewahrung und Einrichtung in der Garderobe Christoph Daniel von der Schulenburgs (1752): Neben der Garderobe im engeren Sinne enthält das Inventar des Schlosses Angern im Raum Nr. 20 auch eine umfangreiche Aufstellung von Möbelstücken, Koffern, Kästen, Stoffresten und Raumtextilien, die der Aufbewahrung und dem Umgang mit Kleidung, Reiseausstattung und Repräsentationsobjekten dienten. Diese Einrichtungsgegenstände bilden das funktionale und materielle Umfeld jener Kleidungskultur, die in der barocken Adelswelt eine zentrale Rolle für Status, Ordnung und Mobilität spielte. In ihrer Kombination aus Truhen, Behältnissen, Vorhängen und gepolsterten Möbeln wird sichtbar, wie sehr Einrichtung als Teil einer textilen Kultur der Selbstführung verstanden wurde – ein Aspekt, der in den bisherigen Forschungen zur materiellen Kultur des Adels oft unterschätzt wurde.
Truhen, Koffer und Schränke: Ordnung des Besitzes
Das Inventar listet zahlreiche Koffer und Behältnisse unterschiedlicher Größe, Funktion und Qualität: drei Koffer für Reisewagen, ein „Koffer mit schwarzem Leder bezogen“, eine „Perückenschachtel“, ein „Hutfutteral“, zwei Silberkoffer sowie ein Paar Cantinen. Hinzu kommen ein eichenholzener Kasten mit Eisenbeschlägen und ein einfacher Tannenkasten. Diese Stücke zeigen nicht nur die Vielschichtigkeit der Lagerung, sondern auch die Trennung nach Mobilität, Sicherheit, Funktion und Hierarchie.
Koffer für den Reisewagen sind Teil der militärisch-diplomatischen Mobilität eines hochrangigen Adligen im 18. Jahrhundert – sie wurden auf längere Dienstreisen mitgeführt und mussten funktional, stabil und wetterfest sein. Der lederbezogene Koffer, vermutlich mit genageltem Holzrahmen, verweist auf die höfische Gepflogenheit, Kleidung und Akten gleichzeitig zu transportieren. Besonders interessant sind die Silberkoffer und Cantinen, die sowohl zur Aufbewahrung wertvoller Utensilien dienten als auch auf das Zeremoniell adeliger Reisetätigkeit verweisen: Es handelt sich um Repräsentationsobjekte, die zugleich Sicherheit und Stand verkörperten.
Textiler Raum: Sinsallieren und Pandallairen
Bemerkenswert ist die Nennung von zwei Sinsallieren und fünf Pandallairen – Begriffe, die auf Raumtextilien zur Abgrenzung, Verschattung oder Repräsentation hindeuten. Derartige Vorhänge, Wandbespannungen oder Baldachine dienten nicht nur als dekorative Elemente, sondern auch der Akustik, Klimasteuerung und sozialen Kodierung des Innenraums⁽¹⁾. In herrschaftlichen Schlafgemächern wurden textile Architekturen häufig eingesetzt, um Halböffentlichkeit und Rückzug zu balancieren. Dass solche Elemente in der Garderobe erfasst sind, unterstreicht die Übergangszone zwischen persönlicher Nutzung und sozialer Sichtbarkeit.
Textile Ausstattung war im 18. Jahrhundert nicht weniger wichtig als Mobiliar – sie schuf Atmosphäre, kontrollierte Lichteinfall und trennte Rangzonen. Gleichzeitig stellte sie eine formalisierte Ordnung des Raums her, die mit der Ordnung des Körpers (etwa durch Kleidung, Schlafmöbel, Aufbewahrungsregeln) eng verbunden war.
Möbel mit Funktion: Bett, Tisch, Fauteuils
Neben den mobilen Behältnissen enthält das Inventar auch festere Möbel: ein englisches Pavillonbett, zwei Fauteuils, ein großer viereckiger Tisch sowie ein Fuß für eine Pendule, Feuerkuten und ein Kohlenbecken. Das Bett – überzogen mit rotem Mohrstoff und goldbesetzt – verweist auf einen hohen Repräsentationsanspruch selbst im Bereich der Nachtruhe. Das sogenannte Pavillonbett, auch als Himmelbett bekannt, war ein zentrales Möbelstück barocker Herrschaftsräume – häufig auf Podesten gestellt und mit reichem Stoffbehang ausgestattet⁽²⁾.
Die beiden Fauteuils mit identischem Bezug ergänzen das Ensemble. Ihre Aufnahme ins Garderobeninventar legt nahe, dass der Garderobenraum nicht nur als Umkleide, sondern als Aufenthalts- und Funktionsraum diente – vielleicht für Diener, Barbier oder Schreiber. Der viereckige Tisch dürfte zur Ausbreitung und Faltung von Kleidung oder für Schreibarbeiten verwendet worden sein.
Auch Elemente wie Feuerkuten und Kohlenbecken sind in diesem Zusammenhang funktional aufzuladen: Sie dienten nicht allein der Erwärmung, sondern auch der Trocknung empfindlicher Kleidung, der Temperaturkontrolle im Ankleideraum und der persönlichen Komfortpflege.
Fazit
Die in der Garderobe Christoph Daniel von der Schulenburgs überlieferten Möbel, Koffer, Kästen und Textilien zeigen, dass Aufbewahrung und Einrichtung keine bloßen Nebenaspekte höfischer Wohnkultur waren, sondern zentrale Medien der Ordnung, Hierarchisierung und Selbstrepräsentation. Der Adelskörper des 18. Jahrhunderts war nicht nur bekleidet, sondern gerahmt, geschützt, strukturiert – durch Truhen, Stoffe, Möbel und Raumroutinen. Diese materiellen Formen gaben der sozialen Rolle eine sichtbare, greifbare, ja inszenierte Umgebung.
Endnoten / Literatur
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Daniela Müller: Textile Räume. Vorhänge, Baldachine und Wandbespannungen als soziale Medien im 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 77 (2014), S. 225–256.
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Peter Thornton: Seventeenth- and Eighteenth-Century Interiors, New Haven 1978, S. 244–265.
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Martin Mulsow / Stefanie Stockhorst (Hg.): Wissensordnungen des 18. Jahrhunderts, Berlin 2010 – bes. zum Verhältnis von Körper, Raum und Ordnung im höfischen Alltag.