Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg von Friedrich August Fiedler im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis ins Jahr 1341 zurück, als an dieser Stelle eine Wasserburg errichtet wurde.

Von der Polterkammer, dem Empfang und dem Herrensalon gelangt man in das Dienstzimmer. Dieses Zimmer verkörpert um 1843 exemplarisch den Wandel des Gutshauses Angern im frühen 19. Jahrhundert: Es ist ein Arbeitsraum des Adels im Übergang zur Moderne, in dem Amt und Privatheit, Erinnerung und Ordnung, Ästhetik und Funktion auf engem Raum ineinandergreifen. Die Kombination aus Sitzgruppe, Sekretär, jagdlichem Wandschmuck und genealogischer Bildordnung zeigt, wie sich das Gutshaus in eine verwaltete Residenz mit klaren Funktionsbereichen wandelte – ganz im Sinne eines verwaltungsnahen Lebensstils des Landadels. Vergleichbare Strukturen lassen sich in den zeitgleich genutzten Dienstzimmern des Neuen Palais in Potsdam beobachten, die sowohl für den Dienststellenleiter als auch für die Schlossaufseher eigens ausgewiesen waren – ein Indiz für die zunehmende Professionalisierung und Versachlichung auch im höfischen Kontext.

Der Raum im 19. Jahrhundert

Das abgebildete Dienstzimmer im Erdgeschoss des Schlosses Angern um 1845 zeigt den Übergang von höfischer Repräsentation zur bürgerlich-funktionalen Amtskultur im adeligen Gutshaus. Der Raum ist deutlich auf Verwaltung und private Arbeitsorganisation ausgerichtet, wobei einige repräsentative Elemente erhalten bleiben.

Raumgliederung und Ausstattung: Im Zentrum steht ein runde Schreibtisch- oder Besprechungstischgruppe, flankiert von einem Sesselensemble mit Polstermöbeln in dunklem Samt oder Velours – vermutlich für Besucher oder zur informellen Nutzung durch den Hausherrn. Rechtsseitig steht ein schlichter, aber massiver Sekretär mit Aufsatzvitrine, wie sie ab der Biedermeierzeit typisch für Gutsarchive und Bibliotheken wurde. Die offenen Bücher und Papiere auf dem seitlichen Arbeitstisch sowie die zahlreichen gerahmten Dokumente deuten auf eine aktive Nutzung als Kanzlei- oder Registraturraum hin.

Wandschmuck und Repräsentation: Die dominante Wandgestaltung mit Trophäen – Rehgehörne auf geschnitzten Holzschildern – signalisiert einerseits Jagdherrschaft, andererseits die Integration männlicher Standesidentität in den Alltag. Das zentrale Porträt (vermutlich eines Vorfahren oder Landesfürsten) wird gerahmt von historischen Stichen und einem Tellerrelief – ein Ensemble, das genealogische und dynastische Verankerung mit dokumentarischem Anspruch verbindet.

Stilistik und Funktion: Die Möblierung folgt einem klassizistisch-bürgerlichen Geschmack, wobei Komfort und Zweckmäßigkeit dominieren. Der Raum ist nicht für höfische Gäste, sondern für interne Verwaltung und Haushaltsführung konzipiert: eine Mischung aus intimer Repräsentation, archivischer Funktion und privater Nutzung durch den Schlossherrn oder den Verwalter.

Das Dienstzimmer um 1920

Der Raum im 18. Jahrhundert

Die Antichambre vor Seiner Exzellenz Zimmer – gelegen zwischen dem Vestibül und dem persönlichen Appartement Christoph Daniel von der Schulenburg – erfüllte um 1743 eine zentrale vermittelnde Funktion innerhalb der barocken Raumstruktur. Als Schwellenraum zwischen öffentlichem Eingangsbereich und privatem Rückzugsort diente sie sowohl dem Empfang von Besuchern als auch dem Übergang in die Appartements des Hausherrn. Ihre hochwertige Ausstattung mit gelb-roten Brocadell-Tapeten, einer kunstvollen Pendule, weißen Leinwandgardinen und großformatigen Supraporten mit Bacchanal-Darstellungen verleiht dem Raum eine repräsentative, zugleich jedoch wohnlich-intime Atmosphäre. Die integrierte Schlafbank mit gestreifter Wolldecke, Strohsack und Matratze deutet auf eine sekundäre Wohnfunktion hin, wie sie für Antichambres in adligen Häusern nicht untypisch war: als kurzfristige Schlafgelegenheit für Bedienstete, Leibdiener oder reisende Angehörige. In ihrer Mehrfunktionalität verband die Antichambre Repräsentation, Ruhe, Übergang und soziale Hierarchisierung auf engstem Raum – ein typisches Charakteristikum barocker Raumdramaturgie.

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Beispielhafte Pendule aus dem 18. Jahrhundert

Die Fenster des Raumes waren mit vier weißen leinwandenen Gardinen geschmückt, die durch zwei kunstvoll drapierte Fallballas ergänzt wurden. Diese Vorhänge verliehen dem Raum eine elegante, aber funktionale Gestaltung und ermöglichten eine angenehme Regulierung von Licht und Privatsphäre.

Besondere künstlerische Akzente setzten drei großformatige Supraporten, die sogenannte italienische Bauernstücke oder Bacchanalien darstellten. Diese Gemälde zeigten ländliche Szenen mit allegorischen Darstellungen aus der antiken Mythologie, inspiriert von Festen zu Ehren des Weingottes Dionysos oder Bacchus. Sie unterstrichen den gehobenen Geschmack des Hausherrn und seine Wertschätzung für klassische Kunst.

Ein zentrales Möbelstück war eine Schlafbank, die zugleich als Tisch genutzt wurde. Diese war mit einer gestreiften Decke aus rot, weiß und grün gefärbter Wolle bedeckt. Das Schlaflager umfasste eine weiche Matratze, ein passendes Polster, ein Kopfkissen sowie eine warme wollene Decke. Ergänzend dazu lag ein mit Leinen bezogener Strohsack bereit, der zur zusätzlichen Polsterung oder als alternative Schlafunterlage diente.Eine Schlafbank um 1750 war ein multifunktionales Möbelstück, das sowohl als Sitzgelegenheit als auch als Schlafplatz diente. Typischerweise bestand sie aus Holz und ähnelte einer heutigen Bank mit Rückenlehne und Armlehnen. Der Sitzbereich konnte oft aufgeklappt oder ausgezogen werden, um eine größere Liegefläche zu schaffen. Die Schlafbank war mit einer gestreiften Decke in Rot, Weiß und Grün bedeckt. Solche Decken waren im 18. Jahrhundert üblich und wurden häufig aus Wolle oder Leinen gefertigt. Die Streifenmuster konnten variieren, aber Kombinationen aus Rot, Weiß und Grün waren beliebt und verliehen dem Raum eine lebhafte Farbgebung.

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KI Rekonstruktion der Schlafbank im Dienstzimmer um 1752

Die Nutzung des zwischen 1738 und 1745 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen und norddeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung .
Die Wasserburg Angern hat eine lange und komplexe Geschichte, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Sie wurde erstmals 1336 urkundlich erwähnt, als es zwischen dem Erzbischof von Magdeburg und dem Markgrafen von Brandenburg zu einer Einigung über die Besitzverhältnisse in der südlichen Altmark kam. 1341 ließ Erzbischof Otto von Magdeburg an dieser Stelle eine Wasserburg errichten. Ob es sich dabei um einen Neubau oder die Verstärkung einer bereits vorhandenen Anlage handelte, ist unklar. Die Burg war von einem tiefen Graben umgeben und verfügte über einen siebenstöckigen Turm, der das Bauwerk dominierte. Es handelte sich wahrscheinlich um einen Feldsteinbau, wie die Mauerreste an der Brücke vermuten lassen.
Das Wasserschloss Angern ist eher ein Herrenhaus , ursprünglich im Jahr 1341 als Wasserburg errichtet, wurde im Jahr 1736 im Rokoko-Stil von Christoph Daniel von der Schulenburg durch den Architekten Friedrich August Fiedler erbaut. Ursprünglich war es von einem barocken Garten umgeben. Ab dem Jahr 1845 wurde das Schloss von Edo Graf von der Schulenburg und Helene Gräfin v.d. Schulenburg, geborene von Schöning, umgestaltet, inspiriert durch die Villa Schöningen in Potsdam , die Ludwig Persius für Edos Schwiegervater Kurd v. Schöning entworfen hatte. Dabei wurde das barocke Walmdach durch ein flaches Zinkdach ersetzt und es wurde ein Mezzaningeschoss ergänzt.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln. Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen.
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.