Von der Polterkammer, dem Empfang und dem Herrensalon gelangt man in das Dienstzimmer. Dieses Zimmer verkörpert um 1843 exemplarisch den Wandel des Gutshauses Angern im frühen 19. Jahrhundert: Es ist ein Arbeitsraum des Adels im Übergang zur Moderne, in dem Amt und Privatheit, Erinnerung und Ordnung, Ästhetik und Funktion auf engem Raum ineinandergreifen. Die Kombination aus Sitzgruppe, Sekretär, jagdlichem Wandschmuck und genealogischer Bildordnung zeigt, wie sich das Gutshaus in eine verwaltete Residenz mit klaren Funktionsbereichen wandelte – ganz im Sinne eines verwaltungsnahen Lebensstils des Landadels. Vergleichbare Strukturen lassen sich in den zeitgleich genutzten Dienstzimmern des Neuen Palais in Potsdam beobachten, die sowohl für den Dienststellenleiter als auch für die Schlossaufseher eigens ausgewiesen waren – ein Indiz für die zunehmende Professionalisierung und Versachlichung auch im höfischen Kontext.
Der Raum im 19. Jahrhundert
Das abgebildete Dienstzimmer im Erdgeschoss des Schlosses Angern um 1845 zeigt den Übergang von höfischer Repräsentation zur bürgerlich-funktionalen Amtskultur im adeligen Gutshaus. Der Raum ist deutlich auf Verwaltung und private Arbeitsorganisation ausgerichtet, wobei einige repräsentative Elemente erhalten bleiben.
Raumgliederung und Ausstattung: Im Zentrum steht ein runde Schreibtisch- oder Besprechungstischgruppe, flankiert von einem Sesselensemble mit Polstermöbeln in dunklem Samt oder Velours – vermutlich für Besucher oder zur informellen Nutzung durch den Hausherrn. Rechtsseitig steht ein schlichter, aber massiver Sekretär mit Aufsatzvitrine, wie sie ab der Biedermeierzeit typisch für Gutsarchive und Bibliotheken wurde. Die offenen Bücher und Papiere auf dem seitlichen Arbeitstisch sowie die zahlreichen gerahmten Dokumente deuten auf eine aktive Nutzung als Kanzlei- oder Registraturraum hin.
Wandschmuck und Repräsentation: Die dominante Wandgestaltung mit Trophäen – Rehgehörne auf geschnitzten Holzschildern – signalisiert einerseits Jagdherrschaft, andererseits die Integration männlicher Standesidentität in den Alltag. Das zentrale Porträt (vermutlich eines Vorfahren oder Landesfürsten) wird gerahmt von historischen Stichen und einem Tellerrelief – ein Ensemble, das genealogische und dynastische Verankerung mit dokumentarischem Anspruch verbindet.
Stilistik und Funktion: Die Möblierung folgt einem klassizistisch-bürgerlichen Geschmack, wobei Komfort und Zweckmäßigkeit dominieren. Der Raum ist nicht für höfische Gäste, sondern für interne Verwaltung und Haushaltsführung konzipiert: eine Mischung aus intimer Repräsentation, archivischer Funktion und privater Nutzung durch den Schlossherrn oder den Verwalter.

Das Dienstzimmer um 1920
Der Raum im 18. Jahrhundert
Die Antichambre vor Seiner Exzellenz Zimmer – gelegen zwischen dem Vestibül und dem persönlichen Appartement Christoph Daniel von der Schulenburg – erfüllte um 1743 eine zentrale vermittelnde Funktion innerhalb der barocken Raumstruktur. Als Schwellenraum zwischen öffentlichem Eingangsbereich und privatem Rückzugsort diente sie sowohl dem Empfang von Besuchern als auch dem Übergang in die Appartements des Hausherrn. Ihre hochwertige Ausstattung mit gelb-roten Brocadell-Tapeten, einer kunstvollen Pendule, weißen Leinwandgardinen und großformatigen Supraporten mit Bacchanal-Darstellungen verleiht dem Raum eine repräsentative, zugleich jedoch wohnlich-intime Atmosphäre. Die integrierte Schlafbank mit gestreifter Wolldecke, Strohsack und Matratze deutet auf eine sekundäre Wohnfunktion hin, wie sie für Antichambres in adligen Häusern nicht untypisch war: als kurzfristige Schlafgelegenheit für Bedienstete, Leibdiener oder reisende Angehörige. In ihrer Mehrfunktionalität verband die Antichambre Repräsentation, Ruhe, Übergang und soziale Hierarchisierung auf engstem Raum – ein typisches Charakteristikum barocker Raumdramaturgie.
Beispielhafte Pendule aus dem 18. Jahrhundert
Die Fenster des Raumes waren mit vier weißen leinwandenen Gardinen geschmückt, die durch zwei kunstvoll drapierte Fallballas ergänzt wurden. Diese Vorhänge verliehen dem Raum eine elegante, aber funktionale Gestaltung und ermöglichten eine angenehme Regulierung von Licht und Privatsphäre.
Besondere künstlerische Akzente setzten drei großformatige Supraporten, die sogenannte italienische Bauernstücke oder Bacchanalien darstellten. Diese Gemälde zeigten ländliche Szenen mit allegorischen Darstellungen aus der antiken Mythologie, inspiriert von Festen zu Ehren des Weingottes Dionysos oder Bacchus. Sie unterstrichen den gehobenen Geschmack des Hausherrn und seine Wertschätzung für klassische Kunst.
Ein zentrales Möbelstück war eine Schlafbank, die zugleich als Tisch genutzt wurde. Diese war mit einer gestreiften Decke aus rot, weiß und grün gefärbter Wolle bedeckt. Das Schlaflager umfasste eine weiche Matratze, ein passendes Polster, ein Kopfkissen sowie eine warme wollene Decke. Ergänzend dazu lag ein mit Leinen bezogener Strohsack bereit, der zur zusätzlichen Polsterung oder als alternative Schlafunterlage diente.Eine Schlafbank um 1750 war ein multifunktionales Möbelstück, das sowohl als Sitzgelegenheit als auch als Schlafplatz diente. Typischerweise bestand sie aus Holz und ähnelte einer heutigen Bank mit Rückenlehne und Armlehnen. Der Sitzbereich konnte oft aufgeklappt oder ausgezogen werden, um eine größere Liegefläche zu schaffen. Die Schlafbank war mit einer gestreiften Decke in Rot, Weiß und Grün bedeckt. Solche Decken waren im 18. Jahrhundert üblich und wurden häufig aus Wolle oder Leinen gefertigt. Die Streifenmuster konnten variieren, aber Kombinationen aus Rot, Weiß und Grün waren beliebt und verliehen dem Raum eine lebhafte Farbgebung.
KI Rekonstruktion der Schlafbank im Dienstzimmer um 1752