Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.

Inventar und Bauanalyse des Wohnhauses auf der Turminsel von Angern um 1650. Das vorliegende Inventar (Rep. H Angern Nr. 409, Blätter 15–18) dokumentiert in bemerkenswerter Detailtiefe die Ausstattung und bauliche Struktur des Wohngebäudes auf der Turminsel der ehemaligen Wasserburg Angern im Zeitraum um 1650. Diese Quelle erlaubt es, sowohl die funktionale Gliederung als auch den architektonischen und sozialen Zustand eines adligen Gutshauses der Nachkriegszeit des Dreißigjährigen Kriegs zu rekonstruieren. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt bereits in die bestehende Struktur des mittelalterlichen Bergfrieds eingebunden und wurde 1735 (evtl. teilweise) abgerissen, um Platz für die barocke Dreiflügelanlage zu schaffen.

Die drei Hauptbestandteile der Anlage um 1650 bildeten laute Quelle im Gutsarchiv Angern ein bauliches Ensemble auf der sogenannten Turminsel: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und der dazwischenstehende Rest des alten Turms. Der Gebäudekomplex war insgesamt schlicht, zweckmäßig und ohne nennenswerte Repräsentationsabsicht gestaltet – ein typischer Ausdruck der materiellen Lage und der baulichen Improvisation nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs. Die gesamte Anlage war möglicherweise über eine einfache Brücke mit der nördlich vorgelagerten Hauptburginsel verbunden. Diese beherbergte nach dem Krieg wohl nur noch ruinöse oder teilgenutzte Wirtschaftsgebäude mit erhaltenen Gewölben. 

Haupthaus

Das Haupthaus war ein eher schlichter, aber durchaus stattlicher Gutshofbau des späten 17. Jahrhunderts mit symmetrischem Aufbau, zentralem Eingangsbereich und flankierenden Wirtschaftsräumen, von der Gestaltung ähnlich wie das noch heute erhaltene Gutshaus in Briest. Die Struktur des Hauses war geprägt durch ein einfaches Rechteckschema von vermutet 20 x 10 Metern mit klarer funktionaler Gliederung. Laut einer zeitgenössischen Beschreibung verfügte das Haus über 2 Stockwerke mit 15 Fenstern und einer zweiflügeligen Eingangstür. Eine gleichmäßige Verteilung der Fenster auf Vorder- und Rückseite oder die gesamte Schauseite ergibt rechnerisch etwa 7 bis 8 Fenster je Geschoss – in historischer Fensterbreite von rund 1 m mit 0,5 m Abstand würde dies exakt zur angenommenen Fassadenbreite von 20 Metern passen. Es war somit kleiner als das heutige barocke Haupthaus. Das Hauptaus gliederte sich um 1650 in funktionale Raumgruppen:

Wohn- und Repräsentationsbereich (Erdgeschoss):

  • Große Speisestube: vier Fenster, grünkacheliger Ofen, zwei Zugänge (zum Torweg und zum Hausflur)
  • Alkovenstube: gehoben ausgestatteter Wohn- und Schlafraum mit fünf Fenstern, Fensterläden und neuem Kachelofen
  • Anliegende Kammer zur Alkovenstube: Fenster, eigener Abtritt, Zugang zum Flur

Haushalts- und Dienstbereich:

  • Küche und Küchenstube mit zugehörigem Kabinett; Zugang vom Hof, teils veraltete Schlösser, zwei Fenster

Verwaltung und Vorrat:

  • Stube des Verwalters (Obergeschoss): mit Zugang zum Kornsaal, zwei Fenster in schlechtem Zustand
  • Kornboden: fensterloser Lagerraum, Eichenboden, einfacher Ofen

Erschließung und Sekundärräume:

  • Treppenhaus: 19 eichene Stufen mit Geländer; zweiter Zugang zum Boden mit 17 Stufen, ohne Geländer
  • Boden: teils mit Brettern, teils mit Lehm; Dachluken ohne Beschläge

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Turm

Zudem wird mehrmals der Turm erwähnt, der ehemalige Bergfried, dessen unterstes Gewölbe bis heute erhalten ist. Der Turm war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden. Im Turm befanden sich mehrere Zimmer, darunter mindestens eine Stube mit neun Fenstern, deren Butzenscheiben in Blei gefasst und laut Inventar noch in gutem Zustand waren, ein Abtritt sowie angrenzende Kammern und Verbindungsgänge zum Nebengebäude. Die Nutzung als beheizbarer Wohnraum mit Gardinen macht den Turm zu einem Teil der Wohnzone. Das untere Gewölbe diente zur Lagerung von Textilien und Hausrat. Auch wenn der Turm seine ursprüngliche Wehrfunktion verloren hatte, war er räumlich differenziert, baulich intakt und funktional in die Gesamtanlage eingebunden.

"In der Turmstube ist nur alte Tür mit einen alten Schloß und 2 alten Krampen. In der Stube ist ein eiserner Ofen mit einem Aufsatz von bunten Kacheln. Ferner sind in der Stube 9 Fenster, jedes mit 1 Fachen, so an Blei und Glase in runden Scheiben noch gut, die Rähme aber sind alt. Vor 7 Fenster sind blaustreifige Gardinen mit denen dazu gehörigen Stangen."

  • Turmstube: beheizt, mit neun einflügligen Fenstern, Gardinen, Abtritt
  • Zugang zum Nebengebäude: über Verbindungstür zur Stube im Nebengebäude
  • Gewölberaum unter dem Turm: als Lagerraum für Textilien und Hausinventar genutzt

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KI Rekonstruktion der Turmstube um 1650

Nebengebäude

Zwischen Haupthaus und Turm befand sich das eingeschossige Nebengebäude, vermutlich ebenfalls in einfacher Fachwerkbauweise errichtet und mit einer kleinen Stube, Kammer und Kabinett ausgestattet. Auch das erste Geschoss dieses Nebengebäudes ist bis heute erhalten. Das Nebengebäude hatte "8 Fenster, sämtliche in neuen Rahmen, in Glas und Blei gut, ingleichen ein eiserner Ofen ohne Aufsatz".

Das Nebengebäude diente vermutlich Bediensteten oder älteren Familienangehörigen. Das Erdgeschoss des Nebengebäudes könnte aus dem heute noch erhaltenen Tonnengewölbe zwischen Turm und Hauptgebäude bestanden haben, das funktional eine Verbindung, aber baulich auch ein eigenes Fundament darstellte. Der Zugang erfolgte dann sowohl vom Hof als auch vom Inneren des Hauses, was auf eine integrative Nutzung hindeutet. Derartige funktionale Gewölberäume finden sich vergleichbar im Gut Kalbe (Milde) sowie in Teilen von Burg Clam (Oberösterreich).

Kleines Haus

Daneben wird in der Quelle auch ein "kleines Haus" erwähnt, das offenbar ein eigener Baukörper war, dann aber heute möglicherweise im zugeschütteten Bereich des Innenhofs der barocken Dreiflügelanlage liegt. Es besaß eine eigene Treppe zum Dachboden (des Haupthauses?), eine Schrotmühle im Erdgeschoss sowie eine massive, mit eisernen Nägeln beschlagene Eichentür. Ob es sich hierbei um das zuvor genannte Nebengebäude handelt oder um einen eigenständigen vierten Bauteil, bleibt unklar. Aufgrund seiner Ausstattung und räumlichen Trennung spricht einiges für eine eigenständige Nutzungseinheit, möglicherweise für Bedienstete oder als Wirtschaftsgebäude.

Bautechnik und Ausstattung 

Die bautechnischen Merkmale des Wohnhauses spiegeln eine Bauweise wider, die einerseits durch Sparsamkeit und pragmatische Wiederverwendung gekennzeichnet war, andererseits jedoch auch punktuell gezielte Investitionen in Komfort und Repräsentation erkennen lässt.

Wand- und Deckenbau: Das Haus war vermutlich weitgehend in Fachwerkbauweise errichtet, wobei aus statischen Gründen massiv gemauerte Teile im Bereich des Turms und der Unterzüge (z. B. Tonnengewölbe) integriert waren. Die Innenwände bestanden aus verputztem Gefachmauerwerk mit Lehmausfachung. Die Decken waren in den Wohnräumen aus Holzbalkenlagen mit Brettern, vermutlich mit Lehmwickeln oder Strohmatten gegen Wärmeverlust, einfache Bretterdecken in den Speicherräumen.

Fußböden: Die Fußböden unterschieden sich deutlich nach Nutzung: Repräsentative Räume wie die Alkovenstube waren mit Holzdielen ausgestattet, Funktions- und Nebenräume wie Küche, Kammern und der Flur hatten Gipsestrich- oder Lehmstampfböden.

Fenster: Die Fenster waren kleinformatig, 4-fach geteilt und mit Butzenscheiben (runden Gläsern) in Bleifassung versehen. Rahmen aus Holz, zumeist in einfachem Zustand. Fensterläden mit Hespen wurden teils erwähnt, insbesondere in der Alkovenstube.

Türen: Die Türen bestanden aus einfachem Nadelholz, meist zweiflügelig, mit klassischen Schlosssystemen (Kastenschloss mit Drücksel, Hespen, Riegeln und Klinkhaken). Besonders oft genannt werden Hespen (Eisenbügel zur Verriegelung) und Krampen. Einige Türen wurden als „alt, aber noch brauchbar“ bezeichnet, was auf eine jahrzehntelange Nutzung schließen lässt.

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Heizung: Die im Inventar mehrfach erwähnten eisernen Öfen, teils mit grünen oder bunten Kachelaufbauten, zeugen von einem für die Zeit verhältnismäßig hohen Heizkomfort und einem gestaffelten Anspruchsniveau in den verschiedenen Raumgruppen. Der Einsatz von Eisenöfen – in Kombination mit einem keramischen Aufsatz – war typisch für das 17. Jahrhundert im niederen Adel, da er eine vergleichsweise schnelle Erwärmung ermöglichte und zugleich mit Kachelverkleidung ein Mindestmaß an Repräsentation bot. Der grüne Farbton war im mitteldeutschen Raum weit verbreitet und galt als bürgerlich-solide. In der Alkovenstube und der Turmstube werden explizit „neue“ Öfen erwähnt, was auf gezielte Nachrüstungen oder jüngere Investitionen in Wohnkomfort hindeutet. Die Tatsache, dass auch Nebenräume wie Kammern, das Kabinett und sogar das Nebengebäude beheizt waren, unterstreicht die Bemühung um ganzjährige Nutzbarkeit und Basiskomfort, was keineswegs selbstverständlich war. Ein Ofen wird als „nicht übersetzet“ bezeichnet, was darauf hindeutet, dass er lose stand oder noch nicht fest eingebaut war – möglicherweise ebenfalls für spätere Verwendung vorgesehen. Insgesamt offenbart das Ofeninventar ein Haus, das sich deutlich vom kargen Standard einfacher Bauernhäuser abhob, aber unterhalb höfischer Pracht blieb.

Treppen: Die Treppen im Haus bestanden im Hauptbau aus massiven Eichentritten mit Geländer, während im Bergfried und im Nebengebäude bretterne Treppen ohne Geländer verwendet wurden. Der Zugang zum Dachboden war nur notdürftig erschlossen und entspricht der Nebennutzung.

Dach und Dachboden: Der Dachboden war teilweise mit Brettern ausgelegt, ansonsten bestand der Bodenbelag aus gestampftem Lehm. Die Dachluken hatten keine Hespen oder Krampen, was auf provisorische oder nicht benutzte Öffnungen hinweist.

Insgesamt zeigt sich ein Gebäude, das technisch einfach, aber solide gebaut war – mit klarer Differenzierung zwischen den Bereichen für Herrschaft, Personal und Vorrat. Die Verwendung langlebiger Materialien wie Eichenholz, Eisenbeschlägen und keramischen Ofenkacheln in Kombination mit kostengünstigen Baustoffen wie Lehm, Gips und Weichholz ist für Güter dieser Zeit typisch.

Haushaltsinventar und Lebensstandard

Das im Inventar verzeichnete bewegliche Gut vermittelt ein anschauliches Bild des wirtschaftlichen Zustands, der Haushaltsführung und des alltäglichen Lebens auf dem Gut Angern um 1650. Auffallend ist die große Anzahl an Textilien, Möbeln, Küchen- und Tafelgeräten, die trotz des schlichten Gesamtcharakters der Anlage auf einen nicht unbeträchtlichen Haushalt hinweisen.

Textilien:

Im Turmgewölbe lagerten:

  • 10 Überzüge für Bediente
  • 10 Handservietten
  • 12 Dutzend Servietten
  • 18 Tischtücher (12 kleine, 6 große)
  • Gardinen für verschiedene Räume: gelbe in Kaminstube und Kabinett (der „gnädigen Frau“ zugeordnet), gestreifte für die neun Fenster der Turmstube, weiße für die Alkovenstube

Diese Mengen deuten auf eine differenzierte Tisch- und Schlafkultur mit deutlich erkennbarer sozialer Staffelung hin. Die farbliche Zuweisung und die Anzahl zeigen sowohl den Bedarf für größere Gesellschaften als auch Vorratshaltung und Ordnung im Haushalt.

Möbel:

  • Mindestens 22 Stühle (darunter auch Rohrstühle, die im Inventar des barocken Neubau im Saal der ersten Etage erwähnt werden)
  • Mehrere große und kleine Tische (inkl. Tisch mit Schubkasten, Schlafbank, Auflagetisch für den General)
  • Bettgestelle mit Vorhängen (insbesondere in der Turmstube vollständig mit Überhang ausgestattet)

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Die Möbelstücke sind funktional, aber zahlreich und teilweise mit textilem Zierrat versehen. Bei dem erwähnten 

"des Herrn Generals Bettgestelle, samt dem völlig Überhang, in den dazugehörigen Kasten"

handelt es sich wohl um das Feldbett von Christoph Daniel, das ihn als General begleitete und das später im barocken Neubau in seinem Chambre aufgestellt wurde und in dem Christoph Daniel trotz der Pacht der übrigen Betten im Neubau offenbar weiter nächtigte. Der im Inventar genannte „Kasten“ bezieht sich sehr wahrscheinlich auf die Transport- oder Aufbewahrungseinheit eines klappbaren, mobilen Feldbetts, wie es für einen General um 1700–1740 üblich war. Das Bett war Teil der militärischen Ausstattung Christoph Daniels und wurde nicht nur als Möbelstück, sondern als persönliches Statusobjekt mitgeführt und aufbewahrt.

Küchengerät und Kochgeschirr:

Das Küchengerät war umfangreich und differenziert:

  • Mehrere Kupferkessel (inkl. Schwenkkessel, Füllkelle, Kaffeekanne)
  • Gusseiserne Pfannen, Tortenpfannen, Bratpfannen
  • Spezialgeräte wie Feuerböcke, Bratspieß, Schaumlöffel, Hackmesser, Reibe, Durchschläge, Salzfässer, Mangelholz
  • Küchentisch, Hackbrett, Behälter für Hühner, eiserner Rosten vor dem Backofen

Diese Liste zeigt, dass der Haushalt nicht nur Grundbedürfnisse abdeckte, sondern auch aufwändigere Speisenzubereitung möglich war. Die Verwendung von Kupfergerät zeigt sowohl Haltbarkeit als auch Standesanspruch.

Tafelgeschirr:

  • 7 kleine und 5 größere Weingläser
  • 2 Biergläser
  • 5 Teetassen
  • 5 weiße und 2 braune gläserne Bouteillen
  • Gläserner Krug
  • Zinnerne Löffel, 5 Paar Messer und Gabeln

Diese Ausstattung dokumentiert eine differenzierte Tafel mit Gläsern für verschiedene Getränke, metallenen Bestecken und mehr als nur funktionalem Geschirr. Der Besitz von Teetassen verweist möglicherweise auf den beginnenden Konsum von Warmgetränken im gehobenen Milieu.

Lager und Vorräte: Neben den textilen und hölzernen Einrichtungsgegenständen finden sich Hinweise auf Vorratsbehältnisse wie Molden, Wassertübben, Strohmattendecken, Strohmatten (vermutlich Tisch- oder Bodenbeläge) sowie Vorratsmöbel wie ein Regal („Ruck“) und Schränke.

Einlagerungen für den Schlossneubau: Ein Teil des im Turm und im kleinen Haus eingelagerten Inventars stammte offenbar nicht aus dem Alltagsgebrauch der Zwischenzeit, sondern aus dem Besitz oder gezielten Ankäufen von Christoph Daniel von der Schulenburg selbst. So heißt es ausdrücklich, dass „viel Bretter […] so Sr. Exzellenz zugehören, und dieselben solche erkauft“ auf dem Boden gelagert wurden. Auch die ungewöhnlich vollständige Ausstattung einzelner Zimmer – etwa mit Gardinen, Bettüberhängen, repräsentativem Tafelgeschirr – lässt vermuten, dass Teile dieses Haushaltsguts gezielt für die spätere Verwendung im geplanten barocken Schloss beschafft und zwischengelagert wurden. Es handelte sich somit teilweise um eine vorsorgliche Ausstattung des künftigen Repräsentationsbaus, der erst ab 1735 realisiert wurde.

Funktionale und soziale Deutung

Das Gebäude vereinte Wohnen, Verwaltung, Vorratshaltung und Repräsentation in einem einzigen Ensemble. Die Nutzung des Bergfrieds als beheizter Wohnraum mit neun Fenstern und Gardinen unterstreicht sowohl die Raumnot als auch den Versuch, bestehende Bausubstanz aufzuwerten. 

Das Inventar offenbart einen Haushalt im Spannungsfeld zwischen pragmatischer Schlichtheit und standesgemäßer Lebensführung. Die Ausstattung erfüllt die Anforderungen eines Gutsherrn, der mit Familie, Personal und Gästen lebt, und spiegelt zugleich die Anpassung an eine Nachkriegswirklichkeit wider, in der materieller Wiederaufbau und haushaltliche Effizienz gleichermaßen Priorität hatten. Die Vielzahl an Gegenständen und deren systematische Lagerung sprechen zudem für eine gut organisierte Haushaltsführung mit konservativen, aber gepflegten Besitzverhältnissen.

Die räumlichen Verhältnisse waren für heutige Maßstäbe äußerst beengt. Heinrich von der Schulenburg hatte 17 Kinder, sein Sohn Heinrich Hartwig neun – hinzu kamen Hauspersonal und weitere Bewohner. Zeitgenössische Quellen belegen, dass es selbst in adeligen Häusern üblich war, dass zwei Kinder ein Bett teilten. Diese Sozialstruktur spiegelt sich in der dichten Nutzung der wenigen Räume wider.

Bewertung und baugeschichtliche Einordnung

Der Bau auf der Turminsel von Angern um 1650 stellt ein typisches Beispiel für ein frühneuzeitliches Gutshaus in der Altmark dar, das in der Nachkriegszeit mit begrenzten Mitteln funktionsfähig gehalten wurde. Die Mischung aus mittelalterlicher Bausubstanz (Bergfried), einfacher Fachwerkarchitektur, punktueller Modernisierung (z. B. Fenstererneuerung im Nebengebäude) und pragmatischer Ausstattung ist charakteristisch für viele adlige Sitze der Region im 17. Jahrhundert. Vergleichbar sind die Anlagen in Briest oder Beetzendorf, die ähnliche Entwicklungen durchliefen.

Quellen

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 409 (Inventar ca. 1735)
  • Gutsarchiv Angern, Nr. 412
  • Dorfchronik Angern
  • Heinrich Bergner: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Halle 1911
  • Danneil, Johann Friedrich: Das Geschlecht derer von der Schulenburg, 1847

Befunde

  • Blatt 15 von Rep H Angern Nr. 409 beginnt mit dem Satz "Inventarium über die Sachen, so von denen abzubrechenden Gebäuden verwahrlich aufzuheben sind" und führt unter anderem zahlreiche "Türen mit Schloß und Hespen" auf. Die noch heute vorhandenen zweiflügeligen Türen stammen daher wohl überwiegend aus dem Vorgängergebäude, da sie auch stilistisch eher ins späte 17. Jahrhundert passen und im barocken Neubau offenbar verlängert wurde, unter anderem durch oben und unten eingefügte querliegende Kassetten.
  • Eine weitere Quelle für die Annahme der baulichen Kontinuität ist der architektonische Befund aus dem heutigen barocken Gebäude: In der etwa 90 cm starken Wand zwischen Gartensaal und Chambre bzw. Herrensalon wurde eine eingemauerte Nische mit hellblauer Kalkfassung entdeckt – ein typischer Befund für Raumnutzungen des späten 17. Jahrhunderts. Weder Ausführung noch Farbgebung entsprechen der barocken Gestaltungslogik, was auf eine bauliche Kontinuität mit dem Vorgängerbau verweist. Auch archivalisch lässt sich belegen, dass beim Umbau unter Christoph Daniel von der Schulenburg ab 1735 nicht zwingend das gesamte Gebäude abgerissen, sondern bestehende Substanz – insbesondere tragende Mauern und Kellerzonen – in die neue Dreiflügelanlage einbezogen wurde.
  • Im Rahmen baubegleitender Untersuchungen wurde in den Zwischendecken des barocken Hauptflügels Fragmente eines grün glasierten Kachelofens gefunden, gefertigt aus glasierter Ziegelkeramik mit dekorativen Reliefs. 

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Rekonstruktion der Burganlage Angern ca. 1650-1690

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.