Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg von Friedrich August Fiedler im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis ins Jahr 1341 zurück, als an dieser Stelle eine Wasserburg errichtet wurde.

Das Kabinett Nr. 10 neben dem "großem Zimmer linker Hand Eingang des Saales" (Nr. 9) war laut dem Inventar von 1752 ein aufwendig gestaltetes Appartment, das augrund der gleichen Tapeten dem benachbarten Appartment Raum 9 zugeordnet war. Der Raum war mit 21 Bahnen gelber Brocadell-Tapeten ausgekleidet. Im Zentrum des Raumes stand ein Bett à Pavillon, das in leuchtenden Farben – gelb, rot, grün und weiß gestreift – gehalten war und mit gelben Garnierungen sowie erzernen Sprugeln (eventuell dekorativen Metallbeschlägen oder Vorhanghalterungen) versehen wurde. Das Bettzeug bestand aus einer großen Matratze, einem rot-weiß gestreiften Parchen-Unterbett, zwei passenden Pfühlen, einem weiteren weißen Parchen-Unterbett, das mit Schwansdaunen gefüllt war, sowie einem gestreiften Leinen-Kopfkissen mit feinen Daunen. Ergänzt wurde die Schlafstätte durch einen Strohsack, alles mit der Inventarnummer 1 signiert.

Über dem Kamin hing ein Gemälde, das die mythologische Szene des Phaeton zeigt, wie er vom Himmel fällt. Die Szene des “Phaeton-Falls” war in der barocken und klassizistischen Kunst ein beliebtes Motiv, das oft dramatisch inszeniert wurde, mit Phaeton, der aus dem Himmel stürzt, umgeben von zuckenden Blitzen und den durchgehenden Sonnenpferden. Maler wie Peter Paul Rubens oder Johann Liss haben diesen Mythos eindrucksvoll dargestellt. Ein Gemälde über den stürzenden Phaeton in einem Kabinett würde somit eine symbolische Bedeutung haben, möglicherweise als Warnung vor Hybris (Übermut) und der Strafe für das Überschreiten von göttlichen Grenzen.

Zwei kunstvoll gemalte Surporten mit Landschaftsmotiven ergänzten die Wanddekoration. Zudem befanden sich im Raum zwei kunstvoll gerahmte ovale Spiegel, die durch ihre Reflektion das Licht spielerisch im Raum verteilten. 

Ein Pavillon-Bett (frz. lit à pavillon) ist eine besondere Form des Himmelbetts aus dem Barock und Rokoko. Im Gegensatz zum klassischen Himmelbett (lit à la duchesse), bei dem der Baldachin an der Wand oder Decke befestigt ist, zeichnet sich das Pavillon-Bett durch einen freistehenden Baldachin aus, der von vier Pfosten getragen wird und das gesamte Bett umschließt. Es erinnert in seiner Form an ein kleines Zelt oder einen Pavillon, daher der Name.

Der Raum im 19. Jahrhundert

Im Zuge einer baulichen Umgestaltung um 1845 wurde das Kabinett verkleinert, indem eine Trennwand eingezogen und zusätzlich das östliche Fenster zugemauert wurde. Dadurch verlor der Raum nicht nur einen Teil seiner Fläche, sondern auch seine dreifache Belichtung, die er ursprünglich mit dem Pendant auf der Westseite des Erdgeschosses sowie der bel étage teilte.

Die Wandöffnung gen Osten wurde möglicherweise deshalb geschlossen, um die Enfilade an beiden Enden durch Gemälde anstelle von Fenstern zu akzentuieren – ein gestalterischer Eingriff, der Raumtiefe und Sammlungscharakter betonte, aber gleichzeitig die ursprüngliche Raumwirkung erheblich veränderte. Diese Umbauten stehen exemplarisch für den Wandel adeliger Wohnkultur im 19. Jahrhundert: von funktional gegliederten, betont individuellen Appartements hin zu formalisierten Repräsentationsachsen, in denen das Sammeln und Zeigen zunehmend ins Zentrum rückte.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Die Burg Angern als Herrschafts- und Wehranlage stellt in ihrer historischen Entwicklung ein typisches Beispiel einer spätmittelalterlichen Wasserburg des niederen Adels im mitteldeutschen Raum dar. Ihre Entstehung unter Erzbischof Otto von Magdeburg im 14. Jahrhundert war eng mit den Machtinteressen des Erzstifts Magdeburg verbunden. Die Wahl des Standorts – auf einer inselartigen Erhebung inmitten der Elbniederung – folgte sowohl militärisch-strategischen als auch wirtschaftlich-topographischen Überlegungen. In unmittelbarer Nähe wichtiger Verkehrswege und Elbübergänge gelegen, diente die Burg der Kontrolle von Handelsrouten, der Sicherung regionaler Besitzverhältnisse und der symbolischen Machtdemonstration.
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.