Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Das Pforthäuschen der Vorburg von Burg Angern – Zugangskontrolle zwischen Dorf und Wirtschaftshof (um 1350). Die Vorburg der Burg Angern verfügte – wie zahlreiche hochmittelalterliche Wasserburgen – über eine klare funktionale Gliederung zwischen herrschaftlichem Kernbereich, Wirtschaftshof und angrenzender Siedlungsstruktur. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang ein kleiner, freistehender Baukörper an der Nordseite der Vorburg, leicht abgesetzt vom Hauptflügel. Dieser ist auf einer historischen Skizze um 1760 verzeichnet und kann mit hoher Wahrscheinlichkeit als das ehemalige Pforthäuschen identifiziert werden.

burg-angern-pforthaus-lage

Vermutete Lage des Pforthäuschens in einem Katasterplan von 1760

Bedeutung und Typologie

Das sogenannte Pforthäuschen nimmt innerhalb der architektonischen Gesamtstruktur sowie der historischen Überlieferung der Anlage eine besondere Stellung ein. Als Schnittstelle zwischen der festländischen Vorburg und der wasserumwehrten Hauptburginsel war es nicht nur ein bauliches, sondern auch ein symbolisches Element der Herrschaftsordnung. Der Begriff „Pforthäuschen“ bezeichnet in der mittelalterlichen Burgenkunde typologisch einen kleineren Torbau, der im Gegensatz zu repräsentativen Haupttoren mit Zwingeranlage eher als vorgelagerter Wach- und Kontrollpunkt konzipiert war.

Quellenbeleg

Ein zentraler Hinweis auf seine bauliche Beständigkeit und funktionale Bedeutung stammt aus dem Gutsarchiv Angern, in dem der Zustand der Burg nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg beschrieben wird:

„Außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand.“ (Dorfchronik Angern, um 1650)

Diese Passage belegt, dass das Pforthäuschen – im Gegensatz zu den übrigen, vermutlich hölzernen Vorburgbauten – den Angriff überstand. Dies deutet auf eine massive Bauweise aus Feldstein, möglicherweise mit Tonnengewölbe, und auf eine geschützte Lage innerhalb des Zugangsbereichs hin. Damit stellt es ein bauliches Bindeglied zwischen Vorburg und Hauptinsel dar und bildet ein wichtiges Indiz für die funktionale Gliederung der Gesamtanlage.

Funktion und Nutzung

Funktional übernahm das Pforthäuschen eine Vielzahl an Aufgaben: Es war Ort der Überwachung des Personen- und Warenverkehrs, diente der Begrüßung von Besuchern, der Übermittlung von Nachrichten, dem Empfang von Boten sowie der Einweisung von Lieferanten. Vergleichbare Bauten finden sich etwa in den Klosteranlagen von Loccum und Corvey, wo Pforthäuser eine kombinierte Wach-, Empfangs- und Kontrollfunktion erfüllten. In Adelsburgen wie Ziesar, Kalbe (Milde) oder Lenzen sind einfache Torhäuser in der Zugangsachse zur Kernburg dokumentiert.

Das Pforthäuschen bildete somit den Schnittpunkt zwischen dem Dorf Angern und der Vorburg. Es handelte sich nicht um ein repräsentatives Torhaus, sondern um einen kleinen, funktional ausgerichteten Kontrollbau. Hier wurden Lieferanten, Gesinde, Handwerker und Besucher eingelassen oder abgewiesen. Auch kleinere Lieferungen oder Nachrichten konnten entgegengenommen werden, ohne dass Fremde den Wirtschaftshof betraten. Die räumliche Absetzung vom Nordflügel unterstreicht diese eigenständige Funktion. Es war nicht mit der Brücke zur Hauptburg verbunden, sondern regulierte ausschließlich den Zugang vom Dorf zur Vorburg – im Gegensatz zur Brückenzone, die intern durch den Nordflügel geschützt war.

Aufbau und Raumfolge

Ob das Pforthäuschen in Angern dauerhaft bewohnt war, lässt sich nicht belegen. Denkbar ist eine kleine Wachstube oder Oberkammer über einem tonnengewölbten Durchgang. Der rückwärtige Ausgang führte vermutlich direkt in den zentralen Wirtschaftshof der Hauptburg und ermöglichte eine Sichtbeziehung zu Wohnhaus, Bergfried, Küche und Speicherbauten. Diese funktionale Raumfolge ist typisch für Burganlagen der Zeit und zeigt sich auch in Beetzendorf. Bauliche Reste sind nicht erhalten, doch lässt sich aus Lage und Typologie auf einen eingeschossigen Fachwerkbau mit steinernem Sockel schließen. Eine überdachte Sitzbank, abschließbare Tür und hölzernes Gatter sind typisch. Der Zugang war bei Bedarf verschließbar, ohne die gesamte Vorburg abzuriegeln.

Zur Lage des Pforthäuschens

Aus heutiger Sicht könnte es sinnvoll erscheinen, das Pforthäuschen unmittelbar an den Anfang der Brücke zur Hauptburg zu setzen, um eine physische Barriere zwischen Vorburg und Kernburg zu schaffen. Tatsächlich jedoch spiegelt die abgesetzte Platzierung des Pforthäuschens – einige Meter nördlich des Vorburghofs – die mittelalterliche Funktionslogik wider. Es handelte sich nicht um eine militärische Sicherung der Hauptburg, sondern um eine soziale Zugangskontrolle zum Wirtschaftshof. Der Übergang zur Hauptburg wurde in der Regel intern gesichert, etwa durch abschließbare Türen im Nordflügel oder ein abnehmbares Brückenteil. Diese Trennung von sozialer Zugangskontrolle und militärischer Verteidigung entspricht dem typologischen Muster zahlreicher Altmark-Burgen des 14. Jahrhunderts. Vergleichsanlagen wie Beetzendorf, Tangeln oder Schloss Goseck zeigen ähnliche Lösungen: Das Pforthäuschen regelte den Zugang vom Dorf zur Vorburg, während der Zugang zur Kernburg separat und von innen gesichert war.

Die Brücke zur Hauptburg von Angern befand sich nordöstlich der Vorburg und war vermutlich durch ein einfaches Zugbrückensystem gesichert. Anders als bei repräsentativen Burganlagen mit befestigtem Brückentor oder Zwingeranlage führte der Zugang hier direkt aus dem Nordflügel der Vorburg zur Hauptinsel. Hinweise auf ein Torhaus unmittelbar an der Brücke fehlen, was auf eine bewusst pragmatische Trennung zwischen wirtschaftlichem Vorbereich und dem stärker geschützten Kern der Anlage hindeutet. Die Sicherung der Brücke erfolgte vermutlich von innen heraus – durch verriegelbare Türen oder Fallriegelsysteme im Nord- oder Westflügel. 

Verteidigungsschwäche: In Belagerungssituationen stellte dieser Zugang eine potenzielle Schwachstelle dar, insbesondere wenn die Vorburg bereits gefallen war. Die Vorburg war funktional, aber strategisch schwach. Ein Angreifer hätte sie leicht überwinden können und wäre sofort an der Brücke zur Hauptburg gewesen. Nur interne Sicherungen – etwa im Nordflügel – konnten diese Schwachstelle kompensieren. Die Trennung zwischen Versorgung und Verteidigung war dadurch grundsätzlich angreifbar.

Typologische Vergleiche

Auch andere Burgen der Altmark im 14. Jahrhundert zeigen ähnliche funktionale Trennungen zwischen Vorburg und Kernburg. Bei der Burg Beetzendorf beispielsweise verlief die Brücke vom Wirtschaftshof zur Kernburg ebenfalls ohne massives Torhaus, sondern wurde durch einfache Zugbrücken- oder Sperrmechanismen gesichert. Die Burg Apenburg weist eine vergleichbare Brückenverbindung auf, wobei hier der Zugang stärker durch Mauern gefasst war. In Tangeln und Letzlingen bestanden ähnliche Organisationsformen: eine vorgelagerte, offene Vorburg mit Zugang zum befestigten Hauptbereich über eine Brücke, die jedoch primär von innen gesichert wurde. Diese Beispiele zeigen, dass die Struktur in Angern – mit einer unbefestigten Vorburg, einem kontrollierten Zugang durch das Pforthäuschen und einer Brücke zur Hauptburg – typisch für die regionale Burgenentwicklung um 1350 war. Freistehende Pforthäuschen waren im spätmittelalterlichen Burgwesen verbreitet. Beispiele:

  • Burg Heldrungen (Thüringen)
  • Schloss Goseck (Sachsen-Anhalt)
  • Burg Hornburg (Niedersachsen)

Sie alle zeigen eine vergleichbare Struktur zwischen Siedlungsbereich und Wirtschaftshof.

Fazit

Das Pforthäuschen von Angern war ein zentrales Element der Gutsorganisation. Es sicherte den Zugang, strukturierte den Verkehr und stellte eine symbolische wie funktionale Schwelle dar. Seine bauliche Erwähnung und die strategische Positionierung machen es zu einem wichtigen Indiz für die Raum- und Herrschaftsstruktur der mittelalterlichen Burg Angern.

Quellen

  • Brigitte Kofal: Dorfchronik Angern
  • Gutsarchiv Angern
  • Ziesemer, Ernst: Die mittelalterlichen Burgen der Altmark. Magdeburg 1994
  • Boockmann, Hartmut: Die Burgen im deutschen Sprachraum. München 2002
  • Pätzold, Steffen: Pforten und Torhäuser im Mittelalter, in: Burgen und Schlösser 1/2017, S. 5–19
Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.