Ein Bau im Schatten der Mängel: Der Schlossneubau in Angern 1737–1739 als Spiegel barocker Baupraxis: Der barocke Neubau des Schlosses Angern in den Jahren 1737 bis 1739 stellt ein instruktives Beispiel für die Spannungsfelder adeliger Repräsentation, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und administrativer Kontrolle im 18. Jahrhundert dar. Die erhaltenen Berichte von Oberamtmann Croon an Christoph Daniel von der Schulenburg (Rep. H Angern Nr. 336) erlauben eine detailreiche Rekonstruktion des Baugeschehens, die sowohl Planungs- und Ausführungsmängel als auch die sozialen und strukturellen Rahmenbedingungen offenlegen.
Der Bau als Repräsentations- und Konsolidierungsinstrument
Christoph Daniel von der Schulenburg, Generalleutnant im Dienst des sardinischen Königs, nutzte sein auslandsgeneriertes Vermögen gezielt zur Konsolidierung seines Familienbesitzes in der Altmark. Der Schlossneubau in Angern war Teil einer breiter angelegten Strategie zur Modernisierung und Repräsentation, wie sie im 18. Jahrhundert unter preußischen Adligen zunehmend üblich wurde. Das Vorhaben umfasste nicht nur den Neubau des Herrenhauses, sondern auch umfassende Gartenanlagen, einen Teich mit Terrassen, Wirtschaftsgebäude sowie die Neuanlage von Alleen.
Planungsfehler und Bauleitungsmängel
Von Beginn an war das Bauprojekt durch eine unzureichende Planung und mangelhafte Bauleitung belastet. Der gravierendste bauliche Fehler trat bereits in der Anfangsphase zutage: Der Maurermeister hatte das Fundament 1 Fuß 4 1/2 Zoll tiefer gelegt, als vorgesehen war (etwa 43,15 cm). Obwohl man ihm vertraute, dass er diesen Tiefgang bei der weiteren Bauhöhe ausgleichen würde, geschah genau das Gegenteil. Die Folge: Das gesamte Hauptgebäude geriet deutlich zu niedrig, was wiederum dazu zwang, das umliegende Gelände abzusenken. In der Konsequenz musste die Decke des mittelalterlichen Turmgewölbes niedriger gesetzt werden mitsamt einem angrenzenden Keller, um Platz für den tiefergelegten Hof zu schaffen.
Trotz der klar erkennbaren Missstände wurden viele der Fehler nur notdürftig behoben oder mit Provisorien kaschiert. So wurde der Versuch unternommen, die noch erhaltenen historischen Gewölbe und Gräben der mittelalterlichen Burg, die zunächst abgerissen werden sollten, nachträglich zu erhalten, indem man deren Decken absenkte und neu aufmauerte. Auch bei der Dachgestaltung mussten mehrfach Korrekturen vorgenommen werden, da es durch die Kehlen regnete – eine Folge unprofessioneller Eindeckung. Der Landbaumeister bot als Abhilfe verschiedene Möglichkeiten an, darunter Blei oder Ponton-Blech, doch eine vollständige Sanierung wurde zunächst nicht durchgeführt.
Dies war nur der erste in einer ganzen Serie von Fehlern, die sich im Verlauf der Bauzeit häuften. Es fehlte nicht nur an sachkundiger Überwachung, sondern auch an klaren Zuständigkeiten: Maurermeister, Zimmerleute und Gesellen arbeiteten oft ohne Koordination nebeneinander. Materialien wurden verschwenderisch verwendet oder gestohlen, die Kosten liefen aus dem Ruder. Besonders prekär war, dass der beauftragte Maurermeister sich als Betrüger erwies: Er hatte Gelder für Löhne kassiert, ohne diese an die Arbeiter weiterzugeben. Letztlich musste Croon die Handwerker tageweise aus der Baukasse bezahlen, um den Fortgang des Projekts überhaupt zu sichern.
Auch der personelle Wechsel auf den Baustellen trug zur Instabilität bei: Der Altgeselle, der in Abwesenheit des Maurermeisters die Bauleitung übernommen hatte, stürzte vom Gerüst und verletzte sich schwer. Danach wechselten die leitenden Gesellen in kurzer Folge, was sich besonders bei der Treppengestaltung niederschlug: Mehrfach mussten bereits angelegte Treppen wieder entfernt werden, weil sie unbrauchbar waren.
Ein grundlegendes Problem lag in der übertriebenen Zentralisierung aller Entscheidungen beim Syndikus Meihe, der als juristischer Verwalter auch das Bauwesen verantwortete. Er setzte gegen ausdrückliche Warnungen untaugliche Bauführer ein, unterzeichnete Verträge ohne Rücksprache mit den technisch versierten Akteuren und ignorierte Mahnungen selbst des Landbaumeisters. Als besonders nachlässig galt seine Entscheidung, den Bauschreiber Teschke mit der Aufsicht zu betrauen, obwohl dieser nicht nur unqualifiziert war, sondern auf der Baustelle verachtet und sogar mehrfach geschlagen wurde.
Der Landbaumeister Fiedler, der zwar nominell für die architektonische Planung verantwortlich war, zeigte sich selbst zunehmend überfordert. Er äußerte später, dass seine "Desseins" nicht konsequent umgesetzt worden seien, verweigerte aber zugleich die Verantwortung für die zahlreichen Baumängel. In einem Anfall von Selbstentlastung verwies er auf andere Baustellen (etwa in Schönhausen), an denen ähnliche Fehler unterlaufen seien, für die er ein Attest erschlichen habe.
Die Summe dieser Versäumnisse zeigt: Der Bau war nicht nur durch einzelne Fehlentscheidungen geschwächt, sondern durch ein strukturelles Versagen in Planung, Aufsicht und Kommunikation. Erst der zunehmende Druck durch Croon sowie Schulenburgs eigene Anweisungen führten ab 1739 zu einer gewissen Stabilisierung, als verbindlichere Planungs- und Etatvorlagen eingefordert wurden.
Baufortschritt und Finanzen
Trotz gravierender struktureller Mängel und personeller Verwerfungen kam der Bau abschnittsweise voran. Bereits im Jahr 1738 wurde mit dem Innenausbau begonnen, wobei zunächst der Flügel hofwärts im Fokus stand. Parallel dazu begannen umfangreiche Arbeiten an der Teichanlage, welche als zentrales Gestaltungselement des repräsentativen Gartenkonzepts diente. Der Teich musste dazu ausgeräumt, eingefasst und das Ufer modelliert werden. Die Arbeiten daran erwiesen sich als besonders kostspielig: Allein bis Ende 1738 beliefen sich die Teichkosten auf rund 1.000 Taler.
Insgesamt war das Bauprojekt von stetigen Finanzierungsengpässen begleitet. Zwar konnte Christoph Daniel auf bedeutende private Rücklagen aus seinem militärischen Dienst zurückgreifen, doch ließ er deren Einsatz kontrollieren. Bereits vor Baubeginn waren im Jahr 1737 erhebliche Summen geleistet worden, darunter Vorschüsse für Handwerker, Anzahlungen auf Material und Löhne für Tagelöhner, die aufgrund nicht gezahlter Beträge des Maurermeisters aus der Bausumme direkt befriedigt werden mussten. Croon vermerkte allein für das Jahr 1737 eine Mehrzahlung von über 60 Reichstalern über den ursprünglichen Kontrakt hinaus – mit weiter steigender Tendenz. Auch die durch Betrug und Materialverschwendung entstandenen Verluste (u. a. gestohlenes Baumaterial im Wert von mehr als 100 Louis d'or) belasteten die Liquidität bereits in einer frühen Phase erheblich. Regelmäßige Pachtvorauszahlungen wurden als temporäre Liquiditätshilfe verwendet. Zusätzlich wurden ab 1739 gezielt Einnahmen aus Zinsen und Gutsabgaben zur Deckung herangezogen. Dennoch berichtete Croon wiederholt, dass die für bestimmte Etappen veranschlagten Summen bei weitem nicht ausreichten.
Besonders problematisch war, dass Planungsfehler (z. B. falsche Treppenlage, unzureichende Dacheindeckung, enge Schornsteine) zu ständigen Nachbesserungen führten, die das Budget belasteten. Die Stuckateurarbeiten wurden 1739 begonnen, ebenso wurde der Dachstuhl zum Teil neu eingedeckt. Ein besonders belastender Kostenpunkt waren dabei die Sandsteinarbeiten, die bereits auf dem Platz lagen, aber nicht ohne Zusatzmittel verbaut werden konnten.
Croon stellte sich zunehmend zwischen baulichem Notstand und disziplinierter Ausgabenkontrolle. In mehreren Briefen beklagte er, wie sehr ihn die strikten Budgetvorgaben daran hinderten, die Bauabschnitte sinnvoll zu vollenden. Immer wieder bat er um Zusatzmittel, um bereits angelieferte Materialien wie Sandsteine vor Verfall zu retten oder den halbfertigen Flügel zumindest bezugsfertig zu machen. Auch dem Reitstall kam in dieser Phase besondere Aufmerksamkeit zu, da ohne ihn keine Unterbringung für Pferde möglich war.
Die grobe Gesamtsumme des Bauprojekts dürfte sich bis Ende 1739 auf rund 5.000 bis 6.000 Reichstaler belaufen haben. Umgerechnet in heutige Kaufkraft entspricht dies einem Wert von ca. 125.000 bis 180.000 Euro. Allein die Teichanlage, die mit etwa 1.000 Talern zu Buche schlug, wäre heute mit rund 25.000 bis 30.000 Euro zu veranschlagen. Wenngleich die genannten Summen in Reichstalern in heutiger Umrechnung vergleichsweise niedrig erscheinen, täuscht dieser Eindruck. Die realen Lohn- und Materialkosten im 18. Jahrhundert lagen auf einem ganz anderen Niveau. Ein einfacher Tagelöhner verdiente kaum mehr als einen halben Taler pro Woche, sodass mit 1.000 Talern mehrere Dutzend Jahresarbeitskräfte finanziert werden konnten. Rechnet man den inneren Wert des Talers auf heutige Baukosten um, entspräche das Gesamtprojekt einem Investitionsvolumen von mindestens zwei bis drei Millionen Euro.
Die Ausgaben spiegeln ein für die Verhältnisse des ländlichen Adels überdurchschnittlich ambitioniertes Vorhaben wider. Trotz dieser Widrigkeiten konnte Croon am Ende des Jahres 1739 berichten, dass wesentliche Teile des Corps de Logis (der Begriff stammt aus dem Französischen und bezeichnet in der Architektur des Barock und Klassizismus den zentralen Hauptbau eines Schlosses oder Herrenhauses, also den Wohn- und Repräsentationstrakt), des rechten Flügels sowie des Gartenbereichs zumindest äußerlich vollendet seien. Die abschließenden Innenarbeiten, darunter Fenster- und Türinstallationen, Stuckatur und die Einpassung der Brücke zum Garten, sollten im Jahr 1740 erfolgen.
Die beteiligten Personen
Das Baugeschehen in Angern war das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels unterschiedlich qualifizierter Akteure. Im Zentrum stand Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763) als Auftraggeber und Finanzier. Er zählte zu den fähigsten Militärstrategen seiner Zeit. In Diensten des Königs von Sardinien-Piemont hatte er sich auf dem italienischen Kriegsschauplatz als Generalleutnant bewährt und ein beachtliches Vermögen erworben. Seine militärische Karriere war geprägt von disziplinierter Planung, logistischer Exaktheit und strategischem Denken. Gerade diese Eigenschaften kontrastieren auffallend mit dem Verlauf des Bauprojekts in Angern, das unter seiner Abwesenheit erheblich ins Schlingern geriet. Tatsächlich war Schulenburg in den Jahren 1737 bis 1739 nur sporadisch in Angern anwesend, da er weiterhin mit diplomatischen und militärischen Aufgaben betraut war und sich häufig in Turin aufhielt. Diese physische Distanz verhinderte eine unmittelbare Kontrolle des Bauvorhabens. Zwar erteilte er in brieflichen Direktiven detaillierte Anweisungen, doch deren Umsetzung hing von Personen ab, die seinem Anspruch an Disziplin und Effizienz nicht genügten. Seine Rolle als Bauherr war somit eher die eines distanzierten Strategen: planend, finanzierend, gelegentlich intervenierend, jedoch ohne dauerhafte Vor-Ort-Präsenz. In der militärischen Logik des 18. Jahrhunderts konnte er delegieren, doch die institutionellen Strukturen im Zivilleben boten nicht die gleiche Durchgriffskraft. Die Widersprüche zwischen seinem militärischen Organisationsideal und der Realität der landadligen Bauverwaltung markieren eine zentrale Bruchstelle dieses Projekts.
Ihm berichtete Oberamtmann Croon, der als faktischer Projektkoordinator agierte, ohne jedoch vollumfängliche Entscheidungskompetenz zu besitzen. Croon zeichnete sich durch hohe Arbeitsmoral, administrative Kompetenz und wachsende Frustration gegenüber der strukturellen Unordnung aus.
Der Landbaumeister Friedrich August Fiedler hatte die architektonische Leitung inne, erwies sich jedoch zunehmend als überfordert, sowohl in planerischer als auch in organisatorischer Hinsicht. Seine Verantwortung für Baumängel wies er mehrfach zurück. Der juristisch-administrative Teil lag beim Syndikus Meihe, dessen Verhalten Croon wiederholt scharf kritisierte. Meihe fällte zentrale Personalentscheidungen, etwa die Bestellung des inkompetenten Bauschreibers Teschke, und galt als Hauptverantwortlicher für die unübersichtliche Vertragspolitik und mangelnde Bauaufsicht.
Daneben traten zahlreiche Handwerker, darunter der betrügerische Maurermeister Böse, Zimmerleute, Tischer und Glaser, von denen einige namentlich nicht überliefert sind. Eine positive Rolle spielte hingegen Herr von Tresckow, der sich um Gartenfragen bemühte und mehrfach gegen Planungsfehler opponierte, jedoch ohne institutionelle Durchsetzungskraft.
Die Differenzen zwischen diesen Akteuren, ihre wechselseitigen Schuldzuweisungen und das Fehlen einer einheitlichen Leitung prägten das Projekt nachhaltig und verdeutlichen die Problematik einer zu stark zersplitterten Bauverwaltung in der Provinz.
Verwaltungsstruktur und Kritik
Die durch das Bauprojekt offengelegten strukturellen Schwächen in der Verwaltung führten zu umfangreicher Kritik durch Oberamtmann Croon. Insbesondere das Verhalten des Syndikus Meihe stand wiederholt im Zentrum seiner Beanstandungen: Meihe habe mangelhafte Bauaufsicht zugelassen, inkompetentes Personal wie den Bauschreiber Teschke installiert und vielfach Verträge ohne ausreichende Absicherung geschlossen. Mehrfach beschwerten sich Arbeiter über ausstehende Löhne, irreguläre Anweisungen und das Fehlen einer kompetenten Bauleitung. Croon konstatierte, dass man dem Bauschreiber so wenig Respekt entgegenbrachte, dass er auf der Baustelle geschlagen und verjagt wurde.
Croon argumentierte, dass die überbordende Zentralisierung bei Meihe und die fehlende lokale Aufsicht gravierende Folgen für den Bauverlauf gehabt hätten. Deshalb schlug er mehrfach strukturelle Reformen vor: Ein ortsansässiger Justitiarius solle nicht nur für die lokale Rechtsprechung verantwortlich sein, sondern auch für die direkte Aufsicht über Bau, Wirtschaft und die Umsetzung herrschaftlicher Anordnungen. Zudem plädierte Croon für die systematische Führung eines Hausbuchs, die geordnete Anlage eines Archivs sowie für Grund-, Lager- und Hypothekenregister in den abhängigen Dörfern. Besonders heftig fiel seine Kritik aus, als infolge eines Aktenverlusts in Angern sowohl Meihe als auch dessen Schwager verdächtigt wurden, die Unterlagen manipuliert oder verlegt zu haben.
In einem bemerkenswerten Schritt bewarb sich Croon selbst um die Position des Justitiarius, mit dem Angebot, auf einen Teil seines bisherigen Gehalts zu verzichten. Er argumentierte, er könne vor Ort weit größere Kontrolle und Kostenersparnis erwirken als durch externe Advokaten und Beamte. Dies verdeutlicht nicht nur seine Loyalität und Selbstüberschätzung, sondern auch den Bedarf an professioneller Gutsherrschaftsverwaltung in einer Zeit zunehmender Komplexität.
Garten und Infrastruktur als Statussymbol
Die Anlage von Lustgarten, Teichterrassen, Alleen und Bogengängen orientierte sich am Ideal des barocken Gartens, wie er aus Frankreich, insbesondere aus Versailles, adaptiert worden war. Gartenkunst wurde zum Ausdruck von Ordnung, Beherrschung der Natur und sozialer Hierarchie. In Angern manifestierte sich dieser Anspruch nicht nur in den großzügigen Alleen, sondern auch in einer durchdachten Terrassierung des Teichs und einer geplanten Symmetrie der Gartenachsen.
Oberamtmann Croon berichtet über die Pflanzung zahlreicher Obstbäume, die Anlage eines Irrgartens sowie die Herstellung von Spargelbeeten. Der Gärtner, offenbar mit solider Expertise ausgestattet, wurde durch den Gartenarchitekten Destinon instruiert, der auch eigene Entwürfe beisteuern sollte. Destinon schlug unter anderem die Integration eines Bogengangs und einer erweiterten Allee im Feld vor. Diese Allee, doppelt so breit wie die inneren Gartenwege, sollte die Verbindung zwischen Schloss und Landschaft herstellen und den Repräsentationsanspruch sichtbar über das eigentliche Gutsareal hinaus projizieren.
Karte von Schloss und Garten in Angern um 1740
Besonderes Augenmerk galt der Teichanlage, die nicht nur als Zierde, sondern auch als funktionales Element zur Verbesserung des Bodenklimas diente. Die ausführenden Arbeiten erwiesen sich als außerordentlich aufwendig: Schuttmengen mussten entfernt, Ufer modelliert, Terrassen aufgemauert und Verbindungen zwischen Haus, Garten und Graben architektonisch hergestellt werden. Croon nennt die Teichgräber als eigene Arbeitergruppe, deren Zahl bis zu 15 Mann betrug. Der Aufwand wird deutlich, wenn man bedenkt, dass allein der Teich bis zu 1.000 Taler kostete.
Auch die Gartenmauern, die Umfassungen der Bauernhöfe und die geplante Brücke trugen zur Aufwertung des Gesamtbildes bei. Croon bemühte sich darum, die Strukturachsen des Gartens mit der Fassadenarchitektur in Einklang zu bringen und wies mehrfach auf die notwendige Planierung des morastigen Geländes hin. Dabei mussten historische Topografien angeglichen und unterschiedliche Höhenniveaus zwischen Garten und Gebäude durch Terrassen oder gewölbte Unterbauten überwunden werden.
Trotz der hohen Kosten und ständigen Verzögerungen betonte Croon, dass die Gartenanlage einen wesentlichen Teil des repräsentativen Anspruchs des Schlosses darstelle. Sie war kein Beiwerk, sondern zentrales Element eines kulturell geprägten Anspruchs auf Ordnung, Sichtbarkeit und Zugehörigkeit zum europäischen Adel.
Historische Einordnung
Der Schlossneubau in Angern ist im Kontext der Umbruchszeit der 1730er-Jahre zu verstehen, in der sich der preußische Staat unter Friedrich Wilhelm I. zunehmend als wirtschaftlich effizientes, militarisiertes und zentralisiertes Gemeinwesen profilierte. Gleichzeitig blieb die lokale Herrschaftsausübung in der Altmark stark von der Eigeninitiative des Adels geprägt. Schulenburgs Neubau stand damit exemplarisch für einen Adel, der zwischen absolutistischer Staatsbildung und ständischer Selbstbehauptung rangierte.
Das Projekt illustriert – im Gelingen wie im Scheitern – die Herausforderung, die wachsenden Anforderungen an Ökonomie, Verwaltung und Repräsentation in Einklang zu bringen. Es reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Vorhaben in Mitteldeutschland, bei denen Repräsentationsarchitektur, Gartenkunst und symbolische Ordnung ineinandergriffen, jedoch oft unter großem finanziellen und logistischen Druck standen. Charakteristisch für diese Zeit war auch die zunehmende Bedeutung der Schriftlichkeit in Verwaltung und Bauplanung: Der Versuch, Kontrolle durch Berichte, Kontrakte und Visualisierungen (Pläne, Entwürfe, Etats) zu gewinnen, spiegelt sich in den Akten umfassend wider.
Die umfangreiche Rolle von Amtspersonen wie Croon und ihre schriftlich dokumentierte Interventionsmacht zeigen, dass sich die barocke Gutsherrschaft in einem Transformationsprozess befand: weg von persönlich-patriarchaler Hausverwaltung, hin zu ökonomisch kalkulierter und professionell verschriftlichter Leitung. Der Neubau von Angern markiert somit nicht nur einen architektonischen, sondern auch einen verwaltungskulturellen Wandel.
Zwischen Zweckbau und Repräsentation – Der Schlossbau in Angern als Handwerksprojekt
Trotz der beachtlichen Dimensionen und Kosten des Schlossbaus in Angern in den späten 1730er Jahren lässt sich dieser Bau im Kern nicht als kunsthandwerklich geprägtes Repräsentationsprojekt deuten, sondern vielmehr als zweckorientiertes Werk handwerklicher Baupraxis. In den überlieferten Quellen – insbesondere in der laufenden Korrespondenz Croons mit Christoph Daniel von der Schulenburg – steht nicht die künstlerische Gestaltung im Vordergrund, sondern die Bewältigung bautechnischer, logistischer und disziplinarischer Probleme: mangelhafte Fundamente, unzuverlässige Maurer, Fehlkalkulationen, Materialdiebstahl und Konflikte mit lokalen Handwerkern prägen das Bild【1】.
Besonders auffällig ist, dass stilistische oder dekorative Erwägungen nur punktuell und aus praktischen Gründen zur Sprache kommen – etwa bei der Stuckatur einer Stube, bei der „in den vier Ecken und in der Mitten ein wenig Zierrat nach der Mode“ gewünscht wurde【2】- hier ist offenbar die Rokoko-Stuckdecke des Gartensaals gemeint, auch die Chambre von Christoph Daniel enthielt rote Kartuschen in den Ecken. Die Diskussion um die Form des Brunnens (Ziehbrunnen vs. Schucke mit Turmaufsatz) zeigt, dass ästhetische Entscheidungen stets funktional begründet und nur zurückhaltend realisiert wurden. Der Fokus lag auf Dauerhaftigkeit, Ökonomie und Bewohnbarkeit – nicht auf künstlerischer Selbstdarstellung.
Ein Vergleich mit ähnlichen Projekten des niederen und mittleren Adels in der Altmark oder im südlichen Brandenburg zeigt, dass diese Praxis typisch für die Region und Zeitstellung war. So wurde etwa Schloss Kunrau (errichtet unter Friedrich Wilhelm von der Schulenburg) oder das Herrenhaus in Börgitz bei Tangerhütte ebenfalls primär als Funktionsgebäude mit regionalem Prestigeanspruch errichtet, jedoch ohne überregionalen kunsthistorischen Rang. Selbst größere Bauten wie das Schloss Hundisburg (frühes 18. Jh.), das zwar eine barocke Planung aufweist, stehen stilistisch eher unter dem Zeichen ökonomischer Repräsentation als kunsthandwerklicher Virtuosität【3】.
Dem steht das Inventar von 1752 gegenüber, das eine vollständige und stilistisch geschlossene Innenausstattung dokumentiert: eine aufwändige Rokoko-Stuckdecke im unteren Saal, Supraporten, zahlreiche Porträt- und Landschaftsgemälde, Möbel und textile Raumausstattung. Doch auch hier zeigt sich: Der Anspruch war repräsentativ, nicht künstlerisch avantgardistisch. Es finden sich keine Werke bekannter Hofmaler oder internationaler Künstler, sondern vermutlich regional angefertigte Porträts und Dekorationsbilder – Ausdruck eines Adelsverständnisses, das auf Würde, Status und Solidität setzte, nicht auf künstlerischen Ehrgeiz oder höfische Prachtentfaltung. Auch die ikonographische Auswahl der überlieferten Gemälde – etwa Herrscherbildnisse, allegorische Darstellungen oder Landschaften – lässt auf eine bewusste, repräsentative Komposition schließen, die vermutlich mit dem standespolitischen Selbstbild Schulenburgs als königlich-preußischer Offizier und Hofgutsbesitzer korrespondierte.
Zudem spricht einiges dafür, dass ein Teil der im Inventar von 1752 genannten Gemälde aus Italien stammt. Christoph Daniel von der Schulenburg hielt sich in den Jahren 1736–1738 mehrfach in Turin und Venedig auf, wo er nicht nur finanzielle Transaktionen zur Sicherung des Gutsbesitzes in Angern vornahm, sondern auch als kultivierter Reisender in Berührung mit italienischer Kunst und Bildkultur kam. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass er dekorative Gemälde – etwa biblische Szenen, allegorische Darstellungen oder Landschaften – auf dem italienischen Kunstmarkt erwarb und nach Angern bringen ließ. Solche Importe waren bei Offizieren und Diplomaten seiner Generation üblich und dienten als Zeichen von Weltläufigkeit, nicht notwendigerweise als künstlerischer Anspruch im engeren Sinne. Die Gemälde dienten demnach nicht dem Ruhm des Malers, sondern dem standesgemäßen Ausdruck von Bildung, Frömmigkeit und Ordnung.
Der Schlossbau in Angern war damit kein Kunstprojekt im Sinne höfischer Baukunst, sondern ein verwaltungsfunktionaler, agrarisch eingebetteter Bau, der einem Gutsherrn diente, der nach jahrzehntelangem Kriegsdienst eine materielle und rechtliche Konsolidierung seines Besitzes anstrebte. Die Bauleitung oblag lokalen Kräften; der Landbaumeister war primär mit der Fehlerkorrektur und dem Durchsetzen disziplinarischer Standards beschäftigt – nicht mit künstlerischer Planung. In diesem Sinne steht das Projekt paradigmatisch für das pragmatische Selbstverständnis des altmärkischen Landadels im späten Ancien Régime.
Die materielle Ordnung des Schlosses: Konservierung, Nutzung und Kontrolle
Im Jahr 1740 (Rep-H-Angern Nr. 337) galt die besondere Aufmerksamkeit gilt dem Erhalt der Inneneinrichtung des Schlosses. So heißt es, "auf denen Seydenen Meubles muß keine Sonne kommen," und diese seien mit "einer Serviette zu bedecken". Ebenso wird eine halbjährliche Kontrolle von "Meubles und leynen zeug" angeordnet:
"Es muß nicht vergessen werden, zweymahl des Jahres: Meubles und leynen Zeug, es habe Namen wie es wolle, in denen Cammern aus einander zu legen und aufzubewahren" (ebd.).
Diese Hinweise legen den Schluss nahe, dass bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Bewusstsein für materielle Erhaltung und textile Konservierung bestand.
Diese Vorschriften reflektieren zugleich die komplexe Ordnung der hauswirtschaftlichen Routinen in einem adligen Haushalt. Die sorgfältige Aufbewahrung, der Schutz vor Lichtschäden und die periodische Sichtung der textilen Ausstattung und das regelmäßige Lüften der Räume zielen auf Werterhalt und Repräsentationsfähigkeit. Der Begriff "Serviette" ist hier nicht im modernen Sinne zu verstehen, sondern meint eine Art Schutz- oder Staubtuch, das über empfindliche Stoffe gelegt wird. Damit lassen sich diese Vorgaben in eine Reihe mit anderen frühneuzeitlichen Ordnungsregeln für Mobiliar und textile Ausstattung stellen, wie sie in zeitgenössischen Haushaltsordnungen fürstlicher Residenzen oder patrizischer Häuser ebenfalls zu finden sind. Darüber hinaus beinhaltet die Schlossordnung eine ausdrückliche Schutzmaßnahme gegen unkontrollierte Nutzung und Überlassung der Ausstattung:
"Es muß aller Fleiß aufgewendet werden, daß [...] nicht in einerley Weise, es sey wie oder wo es wolle, etwas verlohren oder veruntreuet werde" (ebd.).
Damit wird Croon mit der vollumfänglichen Verantwortung für das gesamte bewegliche Inventar des Schlosses betraut. Von besonderer Bedeutung ist, dass auch das Ausleihen einzelner Objekte untersagt ist: "auch von denen Meubles nichts auszuleihen." Dieser Passus stellt einen frühen Ausdruck von Schutzvorkehrungen dar, wie sie in barocken Herrensitzen zur Sicherung wertvoller Ausstattungsstücke zunehmend üblich wurden. Bemerkenswert ist auch die Regelung zur Kontrolle von Besuch:
"Wann jemand kömt sich zu divertiren oder Besuch zu machen, darf er nicht im Schloß Logieren noch weniger auf meine Kosten [...] ausgenommen mein Vetter von Riscaborn" (ebd.). (vermutlich von Riesenburg?)
Diese Formulierung unterstreicht die soziale Exklusivität des Schlosses als Repräsentationsort und seine gleichzeitige Funktion als geschützter Privatraum. Der Hinweis auf Croons Kontakt mit dem Amtmann, namentlich auch "in meinen Pferde Stall," zeigt, dass die Schlossverwaltung zugleich logistische Aufgaben übernahm, etwa im Hinblick auf das herrschaftliche Reit- und Fahrwesen.
Wohnpflicht und Baukontrolle
Gleich zu Beginn wird Croon verpflichtet, seine "ordinaire Wohnung" auf dem Gut zu nehmen, es sei denn, "daß Ihn nöthige affairen dazu obligiren" (Rep. H Angern Nr. 337, Bl. 1r). Diese Residenzpflicht zeigt, dass eine ständige physische Präsenz des Verwalters als unabdingbar für die Kontrolle der alltäglichen Abläufe angesehen wurde. Die Formulierung hebt hervor, dass nur zwingende dienstliche Notwendigkeiten eine Abwesenheit rechtfertigen konnten. Der Verwalter wird dadurch zum dauerhaften Repräsentanten der Herrschaft auf dem Gut gemacht. In seiner Person verdichtet sich die Verbindung zwischen Abwesenheitsherrschaft und lokaler Ausübung von Macht.
Eine weitere zentrale Aufgabe betrifft die Überwachung und Steuerung aller Bauaktivitäten. Croon wird angewiesen, "exactement alles zu observiren, was in den Memoires vom künftigen Bau" verzeichnet ist (ebd.). Schulenburg macht dabei deutlich, dass keine Baumaßnahme ohne vorherige finanzielle Absicherung begonnen werden darf. Wörtlich heißt es:
"Man muß niemahls keinen neuen Bau anfangen, es sey unter was Ursache es immer wolle, ohne daß man [...] erstlich die Rechnung lauffen mögte genau machen läßt, und dann zusehen, wie viel man den nötigen Fond dazu hat" (ebd.).
Diese Anweisung unterstreicht einen frühen haushalterischen Pragmatismus: Bauprojekte sind an die reale Liquidität gebunden und dürfen nicht auf Kredit oder bloße Erwartung hin begonnen werden. Diese Haltung steht im Kontrast zu barocken Repräsentationsbauten, deren Übersteigerung der Form nicht selten zum finanziellen Ruin beitrug. Schulenburgs Maxime ist hingegen ein Beispiel für die durchrationalisierte Gutsverwaltung der preußischen Adelselite, die sich zunehmend betriebswirtschaftlicher Prinzipien bediente. Dass Croon angewiesen wird, "alle Rechnungsposten genau zu beobachten" und den Planungsstand fortlaufend zu dokumentieren, zeigt auch die Erwartung eines strategischen Vorgehens im baulichen Bereich.
Gleichzeitig hat diese Wohnpflicht eine sicherheitsbezogene Dimension: Die ständige Anwesenheit des Verwalters diente auch dem Schutz vor Diebstahl und Veruntreuung. Später heißt es ausdrücklich,
"es muß aller Fleiß aufgewendet werden, daß [...] nichts verlohren oder veruntreuet werde" (ebd.).
In Verbindung mit der Anordnung, die Aufsicht über das Gesinde und die niederen Hausbewohner ("Raceait") zu führen, wird deutlich, dass Croon nicht nur verwaltete, sondern auch als Sicherheitsgarant für das bewegliche und unbewegliche Vermögen fungierte. Seine physische Präsenz hatte eine abschreckende Wirkung und ermöglichte die sofortige Intervention bei Unregelmäßigkeiten.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Position des Amtmanns, der "nichts bezahlet, sondern ihm sein Vorstandt [...] zu seiner Wohnung reicht" (ebd.). Auch dies ist Ausdruck einer vertraglichen Naturalvergütung, wie sie für das 18. Jahrhundert in adligen Haushalten durchaus üblich war. Der Amtmann bezieht für seine Dienste eine unentgeltliche Wohnung im Schloss, was sowohl seine Verfügbarkeit garantiert als auch seine Stellung gegenüber anderen Untertanen markiert.
Fazit
Der Schlossneubau in Angern ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Herausforderungen adeliger Bauprojekte im 18. Jahrhundert. Die überlieferten Berichte erlauben Einblick in die komplexe Verflechtung von Architektur, Verwaltung, Gesellschaft und Ökonomie. Sie dokumentieren nicht nur die Baugeschichte eines bedeutenden Herrensitzes, sondern auch die Schwierigkeiten eines Modernisierungsvorhabens unter den Bedingungen der Zeit.
Literaturverweise
【1】 Vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 412, insbesondere Nr. 6, 7, 32; Nr. 409, Bl. 25–28.
【2】 Ebd., Nr. 6 vom 25. Dezember 1737.
【3】 Siehe: Wolfgang Schenkluhn: Schlösser und Gärten in Sachsen-Anhalt. Von der Renaissance bis zum Klassizismus, Halle 2002, S. 76–92; vgl. auch Karlheinz Wauer: Der Adel in der Altmark, Stendal 1999.