Das Wasserschloss Angern blickt auf eine über 700-jährige Geschichte zurück und war Sitz des altmärkischen Uradelsgeschlechts von der Schulenburg – ein Ort politischer Macht, wirtschaftlicher Entwicklung und kultureller Repräsentation vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.
Nach dem Tod von Heinrich Hartwig (1677–1734) geriet das Gut Angern in Konkurs und wurde zum Verkauf gestellt. Die geringe Größe der einzelnen Höfe führte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Zahlungsausfällen.
Der königlich-sardinische General der Infanterie Christoph Daniel (1679–1763) von der Schulenburg kaufte das Gut und Schloss Angern aus der Insolvenzmasse. Mit diesem Kauf vereinigte er alle Teile wieder unter seiner Hand und wandelte sie in Allodialbesitz um.
Im Jahr 1725 ließ Christoph Daniel durch den Fiscal Petrus Groschen die Abgaben und Dienste der Untertanen des Gutes dokumentieren. Diese Aufzeichnungen zeigen, dass Angern damals 8 Halbspännerhöfe, 9 ganze Kossaten, 5 halbe Kossaten, 10 Freie und 3 Neuansiedler umfasste. Weitere Untertanen kamen aus Wenddorf, darunter 2 Ackerleute, 2 Halbspänner und 8 Kossaten.
Dank seines Dienstes im Königreich Sardinien erlangte Christoph Daniel beträchtlichen Wohlstand. Er verlor auch in fremden Diensten nie das Interesse an seinen heimatlichen Gütern und wählte Angern als Altersruhesitz. Im Jahr 1735 beglich er die Schulden der Gläubiger und erwarb für etwa 34.000 Reichstaler das Gut samt Wenddorf und Bülitz von den Erben seines Bruders.
Am 2. Mai 1738 kaufte Christoph Daniel das Lehn- und Rittergut Vergunst-Angern sowie Alt-Hansens Teil, einschließlich der Dörfer Angern und Wenddorf, für 50.000 Reichstaler von Generalmajor Adolf Friedrich Reichsgraf von der Schulenburg-Beetzendorf.
Nach dem Kauf vereinigte Christoph Daniel die beiden Güter des Dorfes und verlagerte den landwirtschaftlichen Betrieb auf den Schlosshof. In seinem Testament von 1762 stiftete er das Rittergut Angern als Fideikommiss und erließ eine Sukzessionsordnung. Sein Besitz ging nach seinem Tod 1763 an seinen Neffen Alexander Friedrich Christoph I über.
Alexander Friedrich Christoph wurde für seine militärischen Erfolge von Friedrich II. in den Grafenstand erhoben. Er modernisierte den Betrieb, erweiterte die Wirtschaftsgebäude und führte innovative Methoden in der Landwirtschaft ein. Seine Nachfahren sicherten das Gut über Generationen hinweg.
Während des Friedens von Tilsit im Jahr 1807 wurde Angern Teil des Königreichs Westfalen. Reformen wie die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Einführung des Code Civil prägten diese Zeit.
Seit 1754 residierte Christoph Daniel in Angern. Er vererbte das Gut an seine Nachkommen, die es als bedeutendes landwirtschaftliches und architektonisches Erbe weiterführten.
Auch heute noch erinnern das Schloss und die Kirche, die Christoph Daniel einst vergrößern und verschönern ließ, an die lange Geschichte und den Einfluss der Familie von der Schulenburg in Angern.
Anno 1843–1849: Rund hundert Jahre nach dem Bau des Hauses ließ Edo Friedrich Christoph Daniel, Landrat des Kreises Wolmirstedt, das Schloss Angern an die Architektur der damaligen Zeit anpassen. Vermutlich unter der Leitung von Ludwig Persius wurde das barocke Walmdach durch ein flaches Zinkdach ersetzt, und ein Mezzaningeschoss ergänzt. Inspiration war vermutlich die von Persius für Edos Schwiegervater Curd v. Schöning gestaltete Villa Schöningen in Potsdam gegenüber dem Jagdschloss Glienicke.
Nach den Gebäudesteuerangaben von 1863 bestand der Gutshof aus einem zweistöckigen Wohnhaus für den Gutsinspektor mit einem Erdgeschoss aus massivem Stein und einem Obergeschoss aus Fachwerk. Daneben befanden sich ein Wirtschaftshaus, das die Milchkammer, die Waschküche und eine Knechtsstube beherbergte, sowie ein Brauhaus mit Heizungsanbau. Ein großer Ochsenstall bot Platz für 30 Tiere.
Weitere Gebäude des Gutshofs waren ein Kuh- und Rinderstall für etwa 90 Tiere, ein Pferdestall mit Wagenschuppen sowie eine Scheune. Die Scheune wurde 1872 durch einen massiven Neubau ersetzt. Außerdem befanden sich auf dem Hof ein Schweinestall mit Taubenturm sowie Gärten, die durch eine Feldsteinmauer abgegrenzt waren.
1887 erhielt Angern einen Bahnanschluss, und im Dezember 1898 wurde das Gut an die Firma Friedrich Loß & Co. in Wolmirstedt verpachtet, die es ab 1899 bewirtschaftete. Ab 1900 entstanden Arbeiterkasernen, ein Kühlhaus und ein Maschinenschuppen. Die Schäferei war ein separater Gehöftbereich mit großen Schafställen, darunter ein Stall für 900 Tiere.
1906 umfasste das Fideikommiss Angern 1066 Hektar, einschließlich Angern-Vergunst und Althansensteil. Bis 1913 wuchs der Besitz auf 1663 Hektar an, einschließlich verpachteter Forst- und Landwirtschaftsflächen.
Mit der Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Graf Sigurd-Wilhelm am 4. Januar 1946 aus Angern vertrieben. Das Gut, das sich 498 Jahre im Besitz der Familie befand, wurde entschädigungslos enteignet. Der Forst wurde verstaatlicht, und die landwirtschaftlichen Flächen wurden an Kleinbauern verteilt.
Nach der politischen Wende 1996 kehrte die Familie von der Schulenburg nach Angern zurück und kaufte Schloss Angern sowie Teile des Gutes zurück. Die enteigneten Forstflächen konnten vollständig zurückerworben werden, jedoch unter erheblichen finanziellen Aufwendungen.
Heute präsentiert sich Schloss Angern in Teilen denkmalgerecht saniert. Die Seitenflügel beherbergen Mietwohnungen, und das Erdgeschoss des Hauptgebäudes kann für Veranstaltungen gemietet werden. Der Innenausbau ist eine langfristige Aufgabe, doch die Familie setzt alles daran, das historische Erbe zu bewahren.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel starb am 24. März 1921, acht Tage vor dem Stichtag der Zwangsauflösungsverordnung. Sein Tod führte dazu, dass das gebundene Vermögen mit dem Übergang nicht frei wurde. Sein Sohn, Graf Sigurd-Wilhelm, plante die Heirat mit einer bürgerlichen Frau. Nach den weiterhin gültigen Fideikommissbestimmungen hätte er in diesem Fall das Fideikommiss an den nächstberechtigten Anwärter abtreten müssen.
Diese Schwierigkeit wurde durch einen Familienschluss vom 15. Juni 1921 gelöst, der die durch § 24 der Stiftungsurkunde festgelegte Pflicht zur adeligen Heirat aufhob. Der Familienschluss wurde vom Auflösungsamt für Familiengüter in Naumburg bestätigt und erhielt am 2. September 1921 Rechtskraft. Dies ermöglichte es Graf Sigurd-Wilhelm, am 6. September seine geplante Ehe zu schließen, ohne das Fideikommiss zu verlieren.
Die drei Schwestern von Graf Sigurd-Wilhelm wurden mit den Einkünften aus den verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücken des Vorwerks Ellersell abgefunden, die als Allod klassifiziert waren. Im Gegenzug übertrugen sie ihr Miteigentum an den Grundstücken auf Graf Sigurd-Wilhelm.
Anno 1947 wurde die Familie Sigurd Graf v.d. Schulenburg durch die Bodenreform nach einer entschädigungslosen Enteignung vertrieben. Schloss Angern befand sich bis dahin über dreizehn Generationen hinweg, also 498 Jahre, im Besitz der Familie von der Schulenburg.
Nach der Enteignung wurde das Schloss 1949 in eine Fachschule für Landwirtschaft umgewandelt. Ab 1966 diente es als Berufsschule für Meliorationsbau. Die barocke Raumaufteilung wurde durch Zwischenwände und -decken stark verändert, und Baracken mit weiteren Klassenzimmern wurden auf die Rasenfläche des Parks gebaut. Obwohl viele kunstvolle Details zerstört wurden, blieben die Bausubstanz und einige Elemente im Inneren erhalten.
Nach der politischen Wende stand das Gebäude leer, was Vandalismus und schweren Hausschwammbefall zur Folge hatte. Im Mai 1997 entschloss sich die Familie Alexander Graf v.d. Schulenburg, das Gebäude nebst Park zurückzukaufen und die dringend notwendige Schwammsanierung zu beginnen. Mit Fördermitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Landes Sachsen-Anhalt und des heutigen Bördekreises konnten die Arbeiten gestartet werden.
Im Zuge der Sanierung mussten beide Dächer der Seitenflügel vollständig erneuert werden. Zudem wurden neue Hausanschlüsse über den Wassergraben und den Park gelegt. Eine nachhaltige Heizlösung wurde mit einer Holzheizanlage gefunden, die mit Holzhackschnitzeln aus dem eigenen Wald betrieben wird. Seither ist die Familie mit dem Innenausbau beschäftigt. Inzwischen wurden die Seitenflügel des Schlosses denkmalgerecht saniert und beherbergen sechs Mietwohnungen. Das Erdgeschoss des Hauptgebäudes kann für Veranstaltungen gemietet werden.
Nach einer Unterbrechung von 50 Jahren kehrte die Familie von der Schulenburg nach Angern zurück, wo sie seit 1424 über 550 Jahre lang ansässig war. Neben dem Schloss bewirtschaftet die Familie heute wieder Waldflächen und landwirtschaftliche Flächen. Die während der Bodenreform enteigneten Forstflächen wurden vollständig zurückerworben, jedoch mit erheblichem finanziellen Aufwand.
Anno 2049 - was mag hundert Jahre nach dem letzten einschneidenden Ereignis das Schloss und die Familie v.d. Schulenburg erwarten ?