Sehr gerne. Im Folgenden findest du eine ausführlich wissenschaftliche Analyse der Jagd- und Reiseaccessoires aus der Sammlung von Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg, wie sie im Inventar von 1752 überliefert sind . Diese Gegenstände ergänzen das martialische Bild seiner Waffen durch eine tiefere Einbettung in die höfische Lebenswelt – zwischen Inszenierung von Landherrschaft, mobilisiertem Adel und symbolischer Territorialmacht.
Die Jagd- und Reiseaccessoires im Besitz Christoph Daniels
Ein Beitrag zur materiellen Kultur des Landadels um 1750
1. Die Jagdtasche – Mobilität und Ordnung im Revier
Die schlichte Nennung einer „Jagdtasche“ lässt zunächst wenig vermuten. Doch im Kontext barocker Repräsentation war die Jagdtasche mehr als ein Utensil zur Mitnahme von Pulver, Kugeln oder Werkzeugen: Sie war ein emblematisches Element der Jagdkleidung, ausgestattet mit gestickten Wappen, geprägtem Leder, teilweise mit Silberbeschlägen.
In der Adelskultur des 18. Jahrhunderts galt die Jagd als legitimatorischer Ausdruck von Herrschaft über Raum und Kreatur. Der Besitz einer solchen Tasche bedeutete die Rechtsgewalt über das Jagdregal, welches spätestens seit dem Westfälischen Frieden auch in kleinerem Maßstab auf Adelige übergegangen war (vgl. Lutz Schilling: Adlige Jagd im Alten Reich, Göttingen 1994).
Die Jagdtasche war damit nicht nur praktisches Gerät, sondern ein portables Zeichen territorialer Ordnung – ein “Herrschaftsbeutel”, gleichsam ein Amtsinsigne des grundbesitzenden Adels.
2. Die Peitsche – Symbolik zwischen Kontrolle und Prestige
Die im Inventar erwähnte Peitsche erscheint auf den ersten Blick als profanes Jagdwerkzeug. In der höfischen Ikonographie jedoch hatte sie eine doppelbödige Bedeutung: Als Instrument zur Steuerung des Pferdes stand sie für Selbstbeherrschung und technische Kontrolle, zugleich aber auch für das Recht zur Lenkung – nicht nur des Tiers, sondern auch der sozialen Ordnung.
In der barocken Reitkunst (Haute École) war die Peitsche – neben Sporen und Zügel – ein feines Steuerinstrument, das den educierten Körper des Reiters offenbarte. In Jagddarstellungen und Porträts erscheint sie oft in der Linken adliger Herren – diagonal getragen, leicht geschwungen – als Ausdruck von virtuoser Distanz zur Gewalt.
Vergleiche hierzu etwa Darstellungen von Friedrich dem Großen zu Pferde oder Gemälde des Adels im sächsischen Umfeld Augusts des Starken (vgl. Thomas W. Gaehtgens: Kunst als sozialer Impuls im höfischen Zeitalter, München 1986).
3. Der grünsamtener Sattel mit Silbergarnitur – höfischer Prunk auf vier Hufen
In ihrer Ausstattung und Farbwahl verweist die Angabe eines „grünsamtener[n] Sattels mit Silber garniert, wie auch grün Zeig und samtene Schabracke mit Silber“ auf ein hochrangiges Prunkreitezeug. Grüner Samt war im 18. Jahrhundert eine häufige Farbe für Jagdkleidung, aber auch für Sattelzeug – als Verbindung von naturnaher Ästhetik und luxuriösem Stoff.
Die Verwendung von Silber – sei es in der Borte, den Nägeln oder Schnallen – spricht für ein Repräsentationsgeschirr, das in zeremoniellen Anlässen (Parforcejagden, Einritten, Hochzeiten) geführt wurde. Derartige Sättel finden sich in höfischen Marställen (vgl. z. B. das Sattelzeug Friedrichs des Großen im Deutschen Historischen Museum, Berlin).
Die Kombination von grünem Samt, silberner Garnitur und samtenen Schabracken verweist auf eine hochgradige Abstimmung mit der restlichen Reitkleidung, womöglich auch mit dem Leibriemen und dem Jagdtaschenbesatz. Es geht hier um das Ensemble – den „ästhetischen Panzer“ des adligen Körpers (vgl. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, 1939/1976).
4. Der schwarzsamtene Reisehut – Mobilität als Standesmerkmal
Der „schwarzsamtene Reisehut“ steht in der barocken Objektwelt für die Synthese von Eleganz und Funktionalität. Samt war ein empfindlicher, aber äußerst prestigeträchtiger Stoff – seine Verwendung für Reisebekleidung betont das Spannungsverhältnis von Nützlichkeit und Noblesse.
In einer Zeit, in der der Adel weite Strecken zu Pferde oder in Kutschen zurücklegte, war der Reisehut nicht nur vor Sonne und Wind schützend, sondern auch Teil eines rituell aufgeladenen Erscheinungsbilds – insbesondere beim Besuch anderer Höfe, auf dem Weg zum Dienst oder auf Grand Tour. Solche Hüte wurden oft mit einer feinen Silberstickerei, Federschmuck oder Nadeln verziert und konnten aufwendig gefaltet werden (vgl. C. Wille: Mode und Macht – Hofkleidung im 18. Jahrhundert, Berlin 2007).
Als Teil der „Reisegarnitur“ nahm der Hut dieselbe Funktion ein wie eine Kavallerieoffiziersparadeuniform – eine tragbare Visitenkarte, ein Ausdruck von mobilisierter Sozialität.
Fazit: Die Mobilität des Stils – Accessoires als soziale Marker
Die in Schulenburgs Sammlung befindlichen Accessoires erzählen von einer hochritualisierten adligen Lebensweise, in der Jagd, Bewegung und Repräsentation ineinander griffen. Ob zu Pferd im Forst, in der Kutsche auf diplomatischer Mission oder zu Fuß im Garten – die Gegenstände waren nicht nur funktionale Objekte, sondern Träger sozialer Codes.
Die Peitsche war kein bloßes Reitutensil, sondern ein Attribut der Kontrolle. Die Jagdtasche war nicht nur Stauraum, sondern Zeichen des Rechts. Der Reisehut war nicht Schutz, sondern Insignie der Weltläufigkeit. Zusammen ergeben diese Objekte ein Habitusmodell des mobilen Adels, das den Körper, das Tier, das Revier und die Repräsentation zu einem symbolischen Raum verknüpfte.
Literaturverzeichnis
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Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation, Frankfurt a. M. 1976.
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Gaehtgens, Thomas W.: Höfische Kunst als sozialer Impuls, München 1986.
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Schilling, Lutz: Adlige Jagd im Alten Reich, Göttingen 1994.
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Wille, Claudia: Mode und Macht – Hofkleidung im 18. Jahrhundert, Berlin 2007.
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Funcken, Liliane & Fred: Le costume et les armes des soldats de tous les temps, Paris 1975.
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Landesarchiv Magdeburg, Rep. H Angern Nr. 76: Inventarverzeichnis Schloss Angern, Januar 1752 .